Full text: Bismarcks Staatsrecht.

401 
  
anschließen zu dürfen, vielmehr dem Deutschen Reiche die Mög= 
lichkeit offen halten zu müssen, für den päpstlichen Stuhl ein= 
zutreten. 
Dieser Anspruch wurde jedoch von allen politischen Parteien 
im Reichstag gleichmäßig abgelehnt und nur als ein dringender 
Anlaß aufgefaßt, den Grundsatz der Nichteinmischung in das po= 
litische Leben anderer Völker noch bestimmter und schärfer, als 
es in der Thronrede geschehen war, geltend zu machen. Die 
katholische Partei war aber auch in den Reichstag mit Bestre= 
bungen eingetreten, welche mit der früheren Stellung ihrer Ge= 
sinnungsgenossen zur deutschen Einigungspolitik im Widerspruch 
stand. Während dieselben bisher den Föderalismus, d. h. eine 
möglichst selbständige Stellung der einzelnen Staaten im Bund 
gegenüber den Einheitsbestrebungen unterstützten, und namentlich 
ein Übergreifen der Bundesgesetzgebung auf die Gebiete des 
religiösen Bewußtseins zurückwiesen, traten sie jetzt mit Anträgen 
und Wünschen hervor, welche die Reichspolitik unmittelbar in die 
religiösen und konfessionellen Kämpfe hineinzuziehen geeignet 
waren. Ihr Antrag vom 31. März wollte die unumschränkte 
Freiheit der römisch=katholischen Kirche, ihrer Orden, ihrer Presse, 
ihrer politischen Agitation im Deutschen Reiche als ein Grund= 
recht in die neue Verfassung ausgenommen wissen. Die Gegner 
sahen in diesem Antrage einen Versuch, auf einem Seitenwege 
der katholischen Kirche eine selbständige Stellung dem Staate 
gegenüber zu schaffen. Es entspannen sich um diesen Antrag 
leidenschaftliche Debatten. Die beiden Gegensätze, innerhalb deren 
die ganze Nation sich bewegte, kamen zu einem noch schärferen 
Ausdruck als bei der Adreßdebatte. 
Wie eine Anzahl diplomatischer Schriftstücke aus dem Früh= 
jahr 1871 ergibt, die erst 15 Jahre später in Berlin veröffent= 
licht wurden, versuchte Fürst Bismarck, durch den damaligen 
Geschäftsträger beim Vatikan, Grafen Tauffkirchen, eine Miß= 
billigung der Mobilmachung des Zentrums gegen die Reichs= 
regierung seitens der Kurie zu erlangen. Kardinal Antonelli 
ging zuerst darauf ein, verhielt sich aber später infolge von Ein= 
Bismarcks Staatsrecht. 26
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.