Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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wirkungen aus Deutschland ablehnend. Erst jetzt entschloß sich 
Fürst Bismarck zur Aufnahme des kirchenpolitischen Kampfes, 
den er aber anfänglich ganz allein dem Kultusminister überließ. 
Der erste Konflikt zwischen Staat und Kirche entstand 
dadurch, daß ein Ermländer Schullehrer, der wegen Nichtaner= 
kennung der Infallibilität päpstlich interdieiert war, staatlich ge= 
halten wurde. Der katholische Religionslehrer am Gymnasium 
zu Braunsberg, Dr. Wollmann, erkannte die Unfehlbarkeit des 
Papstes nicht an¹⁵⁰) und unterwarf sich dem neuen Dogma nicht. 
Der Bischof seines Sprengels exkommunizierte ihn deshalb und 
forderte seine Entfernung von dem Lehramt als Religionslehrer. 
Die preußische Regierung wies die Forderung zurück, weil das 
Dogma der Unfehlbarkeit das Verhältnis des Staates zur ka= 
tholischen Kirche nicht berühre, die Anerkennung oder Verwerfung 
des Dogmas die Rechte eines preußischen Bürgers nicht be= 
stimme und auf das Amtsverhältnis eines preußischen Beamten 
ohne Einfluß sei. Nunmehr verlangte der Bischof, und viele 
Väter unterstützten das Gesuch, daß ihre Kinder, welche das 
Gymnasium besuchten, von dem Zwange der Teilnahme an dem 
Religionsunterrichte entbunden würden. Auch dieses Gesuch 
lehnte die Regierung ab. Der Zwang entspringe aus den preußi= 
schen Gesetzen; als einzige Ausnahme lasse die maßgebende Vor= 
schrift im Lande gelten, daß „Kinder, welche in einer anderen 
Religion, als welche in der öffentlichen Schule gelehrt wird, er= 
zogen werden sollen“, nicht angehalten werden dürfen, dem Reli= 
gionsunterrichte beizuwohnen; die Eltern aber seien katholisch; 
der Religionsunterricht am Gymnasium zu Braunsberg sei gleich= 
falls katholisch; folglich treffe die in dem Gesetze gestattete Aus= 
nahme nicht zu, und die Regel der Zwangsteilnahme gelte natür= 
lich nur mit der Folge, daß die Zulassung zu dem gesamten 
Unterricht des Gymnasiums von der Teilnahme an dem Reli= 
gionsunterricht abhänge. Dieser Vorgang rief eine ungewöhn= 
¹⁵⁰) efr. Dr. H. Wiermann, Geschichte des Kulturkampfes; Leipzig 1886 bei 
Renger.
	        
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