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Fürst Bismarck ließ darauf antworten: „Herr von Mühler
bemerkt, die katholische Abteilung sei keine „Körperschaft“ oder
„Behörde“ mit selbständigen Befugnissen gewesen, sondern ledig=
lich eine „Ministerialabteilung“ und als solche in allen Sachen
der Entscheidung und Verantwortung des Ministers unter=
worfen. So hätte es sein sollen. Und so würde es gewesen
sein, wenn das Kultusministerium unter Herrn von Mühler den
Charakter einer „Behörde“ aufrecht zu erhalten und sich die
„Ministerialabteilung“ wirklich zu unterwerfen gewußt hätte.
Wie es aber hätte sein sollen, so war es nicht. Die Abteilung
verfolgte bestimmte Richtungen, und der Kultusminister ließ ge=
schehen. Wer der Chef war, das unterliegt keinem Zweifel,
aber ebensowenig die Tatsache, daß die „Abteilung herrschte“.
Herr von Mühler erinnert: „Die Abteilung hat immer nur eine
beratende und nach den Anordnungen des Ministers arbeitende
Funktion gehabt.“ Auf dem Papier hat das seine Richtigkeit.
Im Leben indessen war das gerade Gegenteil zutreffend. Aus=
schlaggebend war für den Minister die Abteilung. Und der Minister
war es, der nach den Anordnungen der Abteilung arbeitete. Er
war, seiner Stellung nach, der Dirigent. Die Direktivnormen
aber gingen von der Abteilung aus. Herr von Mühler erzählt
von der Geneigtheit des damaligen Ministerpräsidenten, einen
päpstlichen Nuntius in Berlin zuzulassen, wogegen „von der Ab=
teilung aus gewarnt worden sei.“ Die Abteilung wollte eben
nicht abdanken. Denn sie war die päpstliche Nuntiatur in Berlin.
Herr Krätzig war der Nuntius und hatte obendrein den Kultus=
minister in der Hand. Der Zulassung eines Nuntins in herge=
brachten, diplomatischen Formen und mit den völkerrechtlichen
Kautelen war unfraglich der Vorzug einzuräumen vor dieser als
„Ministerialabteilung“ verkleideten und mit staatsamtlichen Be=
fugnissen bekleideten Vertretung der Kurie innerhalb des preußi=
schen Ministeriums, der die intime Kenntnis der nach außen
geheim gehaltenen Geschäfte und der Kultusminister selbst für
die Zwecke der vatikanischen Politik zur jederzeitigen Verfügung
standen . . . .“ —