Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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Jahren jetzt auswärtiger Minister; ich bin seit einundzwanzig 
Jahren in den Geschäften der höheren Diplomatie, und ich glaube 
mich nicht zu täuschen, wenn ich sage, es ist dies der einzige und 
erste Fall, den ich erlebt, daß eine solche Frage verneinend be= 
antwortet wird. Ich habe öfters schon erlebt, daß Bedenken 
ausgesprochen sind gegen Gesandte, die bereits längere Zeit 
fungiert hatten; daß ein Hof in vertraulicher Weise den Wunsch 
ausgesprochen hat, daß ein Wechsel in der Person erfolgen möge; 
dann aber hatte dieser Hof eine mehrjährige Erfahrung im diplo= 
matischen Verkehr mit dieser Person hinter sich, hatte die Über= 
zeugung, daß diese Persönlichkeit zur Sicherung der von dem 
Hofe gewünschten guten Beziehungen nicht geeignet sei und 
äußert dann in der vertraulichsten Form, gewöhnlich in eigen= 
händigen Schreiben von Souverän zu Souverän, mit Erläu= 
terungen, warum dies geschehen — und dennoch in einer sehr 
vorsichtigen Weise; es wird selten oder nie bestimmt gefordert. 
Es sind ja in der neuesten Zeit einzelne, wenigstens ein recht 
flagrantes Beispiel vorgekommen, daß die Abberufung eines Ge= 
sandten gefordert wird; aber, wie gesagt, die Versagung eines 
neu zu ernennenden ist mir nicht erinnerlich, daß ich sie schon 
erlebt habe. 
Mein Bedauern über diese Ablehnung ist ein außerordentlich 
lebhaftes; ich bin aber nicht berechtigt, dieses Bedauern in die 
Farbe einer Empfindlichkeit zu übersetzen; denn die Regierung 
schuldet unseren katholischen Mitbürgern, daß sie nicht müde 
werde, die Wege aufzusuchen, auf denen die Regelung der Grenze 
zwischen der geistlichen und der weltlichen Gewalt, der wir im 
Interesse unseres inneren Friedens absolut bedürfen, in der 
schonendsten und konfessionell am wenigsten verstimmenden Weise 
gefunden werden könne. Ich werde deshalb mich durch das 
Geschehene nicht entmutigen lassen, sondern fortfahren, bei 
Sr. Majestät dem Kaiser dahin zu wirken, daß ein Vertreter 
des Reiches für Rom gefunden wird, welcher sich des Vertrauens 
beider Mächte, wenn nicht in gleichem Maße, doch in einem hin= 
länglichem Maße für sein Geschäft erfreut. Daß diese Aufgabe
	        
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