421
durch das Geschehene wesentlich erschwert ist, kann ich allerdings
nicht verhehlen.“
In diesen Sätzen war die ebenso feste, wie milde und ver=
söhnliche Richtung der Reichspolitik in den kirchlichen Fragen
klar vorgezeichnet.
Der Deutsche Reichstag ergriff seinerseits die erste Gelegen=
heit, um seine volle Zustimmung zu der von dem Reichskanzler
bezeichneten Richtung der kirchlichen Politik auszusprechen und
das Vertrauen desselben zu bestätigen, daß die Regierung auf
diesem Wege der bereitwilligen Unterstützung der großen Mehr=
heit sicher sei.
Den Anlaß zu der Erklärung des Reichstags gaben die
Verhandlungen über den Jesuiten=Orden.
Der Abg. Windthorst sagte bei der ersten Beratung des
Jesuiten=Gesetzes: „Wenn Sie uns in brüsker Weise den Krieg
erklären — wohlan, dann sollen Sie ihn haben! Sagen Sie
dann aber nicht, daß wir den Streit begonnen. Sie wollen
denselben datieren von dem vatikanischen Konzil; Sie finden den
Grund desselben in dem Syllabus und der Enzyklika; das ist
unwahr; die dort ausgesprochenen Sätze, soweit sie das Ver=
hältnis von Staat und Kirche berühren, sind bereits in der
Bulle Unam sanctam enthalten, und ich begreife nicht, wie sich
Staatsmänner und Professoren finden können, welche behaupten,
es sei in diesem Verhältnis irgend etwas geändert.“
Hierauf ließ Fürst Bismarck ausführen:¹⁵⁸) „Der Abge=
ordnete hat in einer Beziehung recht: in der Geschichte der
Päpste ist der Anspruch auf absolute Herrschaft auch über alles
Weltliche nicht neu, und deu schroffsten Ausdruck hat dieser An=
spruch des Papstes Bonifazius VIII. (Unam sanctam ¹⁵⁹) gegen
den König Philipp, den Schönen, von Frankreich gefunden.
Wie wenig aber die Behauptungen der genannten Bulle
bisher im europäischen Staatsrecht und in der Kirchenlehre
¹⁵⁸) efr. „Provinzial=Correspondenz“ vom 19. Juni 1872.
¹⁵⁹) datiert vom 18. November 1302.