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selbst zur Anerkennung gelangt waren, davon haben deutsche
Bischöfe noch auf dem letzten vatikanischen Konzil unumwunden
Zeugnis abgelegt, gerade um den Papst zu bestimmen, die be=
denklichen und gefahrdrohenden Folgen, welche durch die Ver=
kündigung der päpstlichen Unfehlbarkeit in den Beziehungen
zwischen der Kirche und den weltlichen Beziehungen einzutreten
drohten, zu verhüten.
In einer Vorstellung vom 10. April 1870, welche vom
Kardinal=Erzbischof Rauscher zu Wien verfaßt und von einer
großen Zahl französischer, österreichischer, ungarischer, italienischer,
englischer, spanischer, portugiesischer und amerikanischer Bischöfe,
sowie von den deutschen Bischöfen von München, Bamberg,
Augsburg, Trier, Ermland, Breslau, Rottenburg, Mainz,
Osnabrück, vom apostolischen Vikar von Sachsen und vom
Bischof Namszanowski unterzeichnet war, wurde in dringendster
Weise die Notwendigkeit der sorgfältigsten Prüfung der Frage
von der Unfehlbarkeit des Papstes gefordert, vornehmlich um
eines Bedenkens willen, „dessen höchste Wichtigkeit niemandem
entgehen könne, der Gott über der Seelen Heil Rechnung legen
müsse“, — denn sie „berühre direkt das Verhältnis der
katholischen Lehre zur bürgerlichen Gesellschaft.“
Die Bischöfe wiesen darauf hin, daß die Päpste des Mittel=
alters, indem sie nach dem Maßstabe ihrer Zeit urteilten und
durch falsche Nachrichten über Päpste früherer Jahrhunderte,
welche Kaiser abgesetzt hätten, getäuscht wurden, bestimmt
glaubten und aussprachen: es sei ihnen von Gott das Recht
verliehen, über alle weltlichen Angelegenheiten zu gebieten und
zu richten! Denn Christus der Herr habe dem heiligen Petrus
und dessen Nachfolgern zwei Schwerter übergeben: das eine,
das geistliche, das sie selbst trügen, das andere das weltliche,
das die Fürsten und Soldaten nach ihrer Weisung zu tragen
hätten.
Es geht aus dieser Vorstellung unwiderleglich hervor, daß
die Lehren über das Verhältnis von Staat und Kirche, wie sie
durch das vatikanische Konzil zur entscheidenden Geltung in der