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römischen Kirche gekommen sind, allerdings den schroffsten An=
weisungen des Papsttums im Mittelalter, wie sie Papst
Bonifazius in der Bulle Unam sanctam geltend zu machen ver=
suchte, entsprechen — daß aber diese Ansprüche seither innerhalb
der katholischen Kirche keineswegs zur Anerkennung als kirchliche
Glaubenssätze gelangt waren, daß vielmehr nach dem unum=
wundenen Zeugnisse der Bischöfe Rauscher, Ketteler, Krementz,
Förster, Namszanowski u. a., sie selbst und „fast alle Bischöfe
der katholischen Welt dem christlichen Volke bisher eine andere
Lehre über die Beziehung der geistlichen Gewalt zur weltlichen
gelehrt haben.“
Angesichts dieses Zeugnisses angesehener Bischöfe ist es in
hohem Maße befremdlich, wenn ein in katholischen Dingen sonst
wohl bewanderter Redner auszusprechen wagt: er begreife nicht,
wie sich Staatsmänner und Professoren finden können, welche
behaupten, es sei in dem Verhältnisse von Staat und Kirche
irgend etwas geändert. Die genannten Bischöfe haben dem
päpstlichen Stuhle im voraus gesagt, daß es unmöglich sei, die
bürgerliche Gesellschaft nach der in der Bulle Unam sanctam
aufgestellten Lehre zu gestalten, — sie haben im voraus verkündet,
daß die Staaten sich dem päpstlichen Spruche nicht beugen würden,
daß aber die Stellung der Kirche der weltlichen Macht gegenüber
durch die Lehre der päpstlichen Unfehlbarkeit eine schwere Er=
schütterung erfahren müsse.“
Der von den verbündeten Regierungen in der Jesuitenfrage
vorgelegte Gesetzentwurf lautete wie folgt:
„Den Mitgliedern des Ordens der Gesellschaft Jesu oder
einer mit diesem Orden verwandten Kongregation kann, auch
wenn sie das deutsche Indigenat (Heimatsrecht) besitzen, an jedem
Orte des Bundesgebiets der Aufenthalt von der Landes=Polizei=
Behörde versagt werden.“
Die Notwendigkeit des schleunigen Vorgehens gegen die
Jesuiten wurde bei der ersten Lesung von allen Parteien außer
der katholischen Zentrumspartei und einem Teil der Fortschritts=
partei anerkannt, und demgemäß beschlossen, ohne vorgängige