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Kommissionsberatung zur zweiten Lesung im Reichstage selbst
zu schreiten.
Doch hatten sich bereits in der ersten Lesung mehrfach
Stimmen erhoben, welche den Entwurf der Regierungen als zu
mild und zu unbestimmt erklärten. In der Zwischenzeit von der
ersten Lesung am 14. Juni 1872 bis zur zweiten Lesung am 17.
fanden vertrauliche Beratungen zwischen den verschiedenen Parteien
des Reichstages statt, welche zur Vereinbarung eines ander=
weitigen Entwurfs führten.
Der Entwurf des Reichstags hatte folgenden Wortlaut:
„§ 1. Der Orden der Gesellschaft Jesu und die ihm ver=
wandten Orden und ordensähnlichen Kongregationen sind vom
Gebiet des Deutschen Reichs ausgeschlossen.
Die Errichtung von Niederlassungen derselben ist untersagt.
Die zur Zeit bestehenden Niederlassungen sind binnen einer vom
Bundesrat zu bestimmenden Frist, welche sechs Monate nicht
übersteigen darf, aufzulösen.
§ 2. Die Angehörigen des Ordens der Gesellschaft Jesu oder
der ihm verwandten Orden oder ordensähnlichen Kongregationen
können, wenn sie Ausländer sind, aus dem Bundesgebiet ausgewiesen
werden; wenn sie Inländer sind, kann ihnen der Aufenthalt in
bestimmten Bezirken oder Orten versagt oder angewiesen werden.
§ 3. Die zur Ausführung und zur Sicherstellung des Voll=
zugs dieses Gesetzes erforderlichen Anordnungen werden vom
Bundesrate erlassen.“
In dieser Form wurde der Gesetzentwurf in der 3. Lesung
am 19. Juni desselben Jahres angenommen. Der Bundesrat
trat der neuen Fassung am 28. Juni bei. —
Am 14. Mai 1872 hatte der Reichskanzler eine Zirkular=
depesche erlassen, die künftige Papstwahl betreffend, welche folgenden
Wortlaut hatte:
„Vertraulich. Berlin, den 14. Mai 1872.
Die Gesundheit des Papstes Pius IX. ist nach allen uns
zukommenden Berichten eine durchaus befriedigende und keine