Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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Symptome einer baldigen Änderung darbietende. Über kurz 
oder lang aber muß eine neue Papstwahl immer eintreten; und 
der Zeitpunkt entzieht sich der menschlichen Berechnung und 
Voraussicht. Die Stellung des Oberhauptes der katholischen 
Kirche ist für alle Regierungen, innerhalb deren Länder diese 
Kirche eine anerkannte Stellung hat, von solcher Bedeutung, 
daß es geboten scheint, sich die Folgen eines Wechsels in der 
Person des Papstes rechtzeitig zu vergegenwärtigen. Es ist schon 
früher anerkannt worden, daß die Regierungen, welche katholische 
Untertanen haben, dadurch auch ein großes und unmittelbares 
Interesse an einer Papstwahl haben, sowohl an der zu wählenden 
Persönlichkeit selbst, als besonders auch daran, daß die Wahl 
von all den Garantieen in formaler und materieller Beziehung 
umgeben sei, welche es den Regierungen möglich machen, sie als 
eine gültige und allen Zweifel ausschließende auch für sich und 
den Teil der katholischen Kirche in ihren Ländern anzuerkennen. 
Denn daß die Regierungen, ehe sie dem durch Wahl konstituierten 
Souverän, der berufen ist, so weitgreifende, in vielen Stücken 
nahe an die Souveränität grenzende Rechte in ihren Ländern 
auszuüben, diese Rechte faktisch zugestehen, verpflichtet sind, ge= 
wissenhaft zu erwägen, ob sie die Wahl anerkennen können: 
darüber scheint mir kein Zweifel sein zu können. Ein Papst, 
welchem die Gesamtheit oder die Mehrzahl der europäischen 
Souveräne aus formalen oder materiellen Gründen glaubte die 
Anerkennung versagen zu müssen, würde so wenig denkbar sein, 
wie es denkbar ist, daß ein Landesbischof in irgend einem Lande 
Rechte ausübte, ohne von der Staatsregierung anerkannt zu sein. 
Dies galt schon unter der früheren Ordnung der Dinge, wo die 
Stellung der Bischöfe noch eine selbständigere war, und die 
Regierungen nur in seltenen Fällen in kirchlichen Dingen mit 
dem Papste in Berührung kamen. Schon die im Anfang dieses 
Jahrhunderts geschlossenen Konkordate haben direktere und ge= 
wissermaßen intimere Beziehungen zwischen dem Papst und den 
Regierungen herorgerufen; vor allem aber hat das vatikanische 
Konzil und seine beiden wichtigsten Bestimmungen über die
	        
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