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Durch Gesetz vom 5. April 1873, betr. die Abänderung der
Artikel 15 und 18 der Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850
erhielt Artikel 15 nachstehende Fassung:
„Die evangelische und römisch=katholische Kirche, sowie jede
andere Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegen=
heiten selbständig, bleibt aber den Staatsgesetzen und der gesetz=
lich geordneten Aufsicht des Staates unterworfen.
Mit der gleichen Maßgabe bleibt jede Religionsgesellschaft
Staatsbehörden nicht befolgt, so ist der Minister der geistlichen Angelegenheiten
ermächtigt, bis zur Befolgung die der Anstalt gewidmeten Staatsmittel einzu=
behalten oder die Anstalt zu schließen.
Knabenseminare und Knabenkonvikte dürfen nicht mehr errichtet und in die
bestehenden Anstalten dieser Art neue Zöglinge nicht mehr aufgenommen werden.
Anstellung der Geistlichen. Die geistlichen Oberen sind verpflichtet, den=
jenigen Kandidaten, dem ein geistliches Amt übertragen werden soll, dem Ober=
präsidenten unter Bezeichnung des Amtes zu benennen.
Innerhalb dreißig Tagen nach der Benennung kann von dem Oberpräsi=
denten Einspruch gegen die Anstellung erhoben werden.
Der Einspruch ist in folgenden Fällen zulässig:
1. wenn dem Anzustellenden die gesetzlichen Erfordernisse zur Bekleidung
des geistlichen Amtes fehlen;
2. wenn der Anzustellende wegen eines Verbrechens oder Vergehens,
welches das Deutsche Strafgesetzbuch mit Zuchthaus oder mit dem Ver=
luste der bürgerlichen Ehrenrechte oder dem Verluste der öffentlichen
Ämter bedroht, verurteilt ist oder sich in Untersuchung befindet;
3. wenn gegen den Anzustellenden Tatsachen vorliegen, welche die An=
nahme rechtfertigen, daß derselbe den Staatsgesetzen oder den inner=
halb ihrer gesetzlichen Zuständigkeit erlassenen Anordnungen der
Obrigkeit entgegenwirken oder den öffentlichen Frieden stören werde.
Gegen die Einspruchserklärung kann innerhalb dreißig Tagen bei dem
Königlichen Gerichtshofe für die kirchlichen Angelegenheiten, und, so lange dessen
Einsetzung nicht erfolgt ist, bei dem Minister der geistlichen Angelegenheiten
Berufung eingelegt werden.
Die hierauf ergehende Entscheidung ist endgültig.
Die Übertragung eines geistlichen Amts im Widerspruch mit diesen Vor=
schriften gilt als nicht geschehen.
Jedes Pfarramt ist innerhalb eines Jahres vom Tage der Erledigung.
wo ein Gnadenjahr besteht, vom Tage der Erledigung der Pfründe an gerechnet,
dauernd zu besetzen. Nach Ablauf der Frist ist der Oberpräsident befugt, die
Wiederbesetzung der Stelle durch Geldstrafen bis zum Betrage von 1000 Thlrn.
zu erzwingen.
Die Errichtung von Seelsorgeämtern, deren Inhaber jeder Zeit abberufen