Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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haben bereits an mehreren Orten die Kirchenbücher mit Beschlag 
belegt und an die betreffenden Aufsichtsbehörden abgegeben 
werden müssen. Die zeitige Lage der Gesetzgebung gestattet in 
dem größten Teile der Monarchie nicht, die Fortführung der 
Personenstandsregister anderen Behörden zu übertragen und An= 
ordnungen zu treffen, welche auch nur annähernd einen aus= 
reichenden Ersatz zu bieten geeignet wären. Soll daher die sowohl 
für den Staat als für die Beteiligten so wichtige Beurkundung 
des Personenstandes nicht in Verwirrung geraten, sondern 
überall gesichert bleiben, so erscheint eine Beseitigung dieses 
Übelstandes, welcher durch die täglich zunehmenden Anstellungen 
von Geistlichen eine stetige und rasche Ausdehnung erfahren 
muß, im Wege der staatlichen Gesetzgebung sobald als tunlich 
geboten. 
Vermöge der Bedeutung der Ehe als der Grundlage des 
gesamten Familienrechts ist die Bestimmung darüber, unter 
welchen Bedingungen und Formen sie mit rechtlicher Wirkung 
eingegangen werden kann, ebenso ein Gegenstand der staatlichen 
Gesetzgebung wie die Feststellung des Personenstandes überhaupt. 
Wenngleich die Verbindung der Eheschließung mit kirchlicher Ein= 
segnung, welche in den sittlichen Beziehungen des Ehebundes 
ihre Begründung und volle Berechtigung findet, seit Jahrhun= 
derten besteht, so beruht doch der rechtliche Wirkungen erzeugende 
Charakter der kirchlichen Trauung lediglich auf der staatlichen 
Gesetzgebung, so lange, als überhaupt der Staat und nicht die 
Kirche Schöpfer und Träger der rechtlichen Ordnung ist. 
Nachdem die vom Staat anerkannte, und durch die Ver= 
fassungsurkunde gewährleistete Gewissensfreiheit zu Entwicklungen 
auf kirchlichem Gebiete geführt hat, in deren Folge die kirchliche 
Trauung, beziehungsweise die Art, wie sie von den Organen 
der Kirche gehandhabt wird, sich für einen großen Teil der 
Staatsangehörigen zu einer Beeinträchtigung in ihren staats= 
bürgerlichen Rechten oder doch zu einer ihnen lästigen Fessel bei 
der Ausübung dieser Rechte gestaltet und zu den mannigfaltigsten 
und erheblichsten Konflikten mit dem Staate führt, in welchen
	        
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