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gelische Dynastie und eine evangelische Kirche als eine Ungerechtig=
keit und Krankheit betrachten, deren Heilung die Aufgabe seiner
Kirche sei. Ein ewiger Friede mit der römischen Kurie liegt
nach den gegebenen Lebensbedingungen ebenso außerhalb der
Möglichkeit wie ein solcher zwischen Frankreich und dessen Nach=
barn . . . . Die römische Kurie ist eine unabhängige politische
Macht, zu deren unabänderlichen Eigenschaften derselbe Trieb
zum Umsichgreifen gehört, der unseren französischen Nachbarn
innewohnt. Für den Protestantismus bleibt ihr das durch kein
Konkordat zu beruhigende aggressive Streben des Proselytismus
und der Herrschsucht; sie duldet keine Götter neben ihr.“
Als ausreichendes und definitives Resultat des Kultur=
kampfes verzeichnet Fürst Bismarck, daß es gelungen sei dem Polo=
nismus gegenüber die im Kulturkampf gewonnenen Beziehungen
der Schule zum Staate und die eingetretene Änderung der ein=
schlagenden Verfassungsartikel als definitive Errungenschaft fest=
zuhalten. Diese Errungenschaften seien wertvoller als die mai=
gesetzlichen Verbote geistlicher Tätigkeit und der juristische Fang=
apparat für widerstrebende Priester. Ein wichtiger Gewinn sei
auch die Beseitigung der katholischen Abteilung und ihrer staats=
gefährlichen Tätigkeit in Schlesien, Posen und Preußen.
Über die durch den Kulturkampf herbeigeführte Zivilehe
urteilt Fürst Bismarck in den „Gedanken und Erinnerungen“:
„Ich hielt mit Luther die Eheschließung für eine bürgerliche An=
gelegenheit, und mein Widerstand gegen Anerkennung dieses
Grundsatzes beruhte mehr auf Achtung vor der bestehenden
Sitte und der Überzeugung der Massen, als auf eigenem christ=
lichen Bedenken.“