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oder im Lande Aufenthalt nehmen wollten, sich im Besitze eines
Passes zu befinden, welcher mit dem Visa der deutschen Bot=
schaft in Paris versehen war. Die offiziöse „Nordd. Allg. Ztg.“
erklärte in bezug auf die Gründe dieser Maßregeln, die Reichs=
regierung glaube dem Frieden einen Dienst zu erweisen, wenn
sie Frankreich in dem Bestreben entgegenkomme, den Grenzver=
kehr genau zu kontrollieren und der Lebhaftigkeit desselben die=
jenigen Schranken zu setzen, durch welche politische Friktionen
nach Möglichkeit ausgeschlossen würden. Dieses sei eines der
international berechtigten Mittel, welche Deutschland anwende,
um den historischen Prozeß der Regermanisierung dieser deut=
schen Reichslande und ihrer Loslösung aus der Verbindung mit
Frankreich zu befördern. Auf die Klagen der französischen
Presse antwortete obengenannte Zeitung: „Der ganze Zweck
des Paßzwanges ist eben, die gesellschaftlichen und kommerziellen
Verbindungen zwischen Frankreich und Elsaß=Lothringen voll=
ständig abzubrechen, nachdem in unzweifelhafter Weise festgestellt
worden ist, wie diese Beziehungen von den Franzosen völker=
rechtswidriger Weise mißbraucht wurden. Die Franzosen müssen
sich schon gefallen lassen, mit demselben Maße gemessen zu
werden, mit dem sie messen.“
Der Kaiserliche Statthalter berührte in der Tischrede,
welche er am 10. Juli desselben Jahres in Mühlhausen hielt,
die Frage mit folgenden Worten: „Wenn eine Nation ein Land
erobert, oder wiedergewinnt, so will sie es auch behalten. Sie
ergreift daher auch alle Maßregeln, um ihren Besitz zu sichern.
Die Maßregeln sind um so schärfer, je lebhafter sich das Be=
streben des Nachbarn geltend macht, wieder in den Besitz des
verlorenen Landes zu gelangen. So sind wir schrittweise zum
Paßzwang gekommen. Derselbe wird aufhören, wenn wir seiner
nicht mehr bedürfen, um unseren Besitz zu sichern.“
Der Paßzwang bestand bis zum September 1891, wo ihn
ein Erlas unseres jetzt regierenden Kaisers — zur großen
Freude der Reichsländler — aufhob. Diese Freude fand bei
der Begrüßung des kaiserlichen Statthalters, Fürsten Hohenlohe,