Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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hierdurch dem Reichskanzler die Stellung als des einzigen Kaiser 
und Reich verantwortlichen Reichsministers und dadurch die ver= 
antwortliche Leitung aller Reichsangelegenheiten, welche in der 
Regierungsgewalt des Kaisers liegen, zugewiesen. In Aus= 
führung dieses der Verfassung zu Grunde liegenden staats= 
rechtlichen Prinzips sind durch die einzelnen Reichsgesetze die 
Angelegenheiten der bezeichneten Art gleichviel welchem Geschäfts= 
kreise der verschiedenen obersten Reichsämter sie angehören, an 
die Person des Reichskanzlers geknüpft. Und ebenmäßig haben 
die Gesetzesverordnungen und Erlasse, durch welche die Errichtung 
oder Abgrenzung der obersten Reichsämter erfolgt ist, die letzteren 
der Leitung des Reichskanzlers unter Verantwortlichkeit desselben 
unterstellt, so der Allerhöchste Erlaß vom 12. August 1867, be= 
treffend die Errichtung des Bundeskanzleramtes; der Allerhöchste 
Erlaß, betreffend die oberste Marinebehörde, vom 1. Januar 1872; 
das Gesetz, betreffend die Errichtung eines Reichseisenbahnamtes 
vom 27. Juni 1873; die Verordnung, betreffend die Verwaltung 
des Post= und Telegraphenwesens vom 22. Dezember 1875. 
Einer Aufzählung dieser an die persönliche Leitung des 
Reichskanzlers geknüpften Obliegenheiten in der Verwaltung, 
Beaufsichtigung und Bearbeitung von Reichsangelegenheiten wird 
es nicht bedürfen; kaum ein umfassendes Reichsgesetz ermangelt 
der Aufstellung solcher Obliegenheiten. Der Kreis derselben ist 
mit der Entwickelung des Reiches von Jahr zu Jahr größer 
geworden und wird mit der fortschreitenden Stärkung des 
Reiches auch in Zukunft immer mehr an Ausdehnung gewinnen. 
Damit tritt an die Gesetzgebung die Notwendigkeit heran, 
Fürsorge dafür zu treffen, daß in Fällen einer persönlichen Be= 
hinderung des Reichskanzlers an der Wahrnehmung seines Amtes, 
die ihm übertragene Leitung der Reichsgeschäfte ohne Störung 
in geregeltem Gange bleibe. 
Die Zulässigkeit einer Vertretung des Reichskanzlers ist be= 
züglich der Gegenzeichnungen Allerhöchster Anordnungen und 
Verfügungen in der Verfassungsurkunde nicht ausdrücklich aus= 
gesprochen.
	        
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