Full text: Bismarcks Staatsrecht.

76 
Regierungen zu kommen, die wir unmöglich vergewaltigen konnten, 
und ohne über das, wo sie zugestimmt haben, hinauszugehen. 
Ich bin niemals zweifelhaft gewesen, zehn Jahre lang nicht, 
daß ich als Kanzler ganz berechtigt wäre, durch Substitution mit 
Kaiserlicher Genehmigung mir einen Gesamtstellvertreter zu schaffen, 
auf den auch die Kontrasignatur übergehen würde. Ich war mir 
von Hause aus um so weniger zweifelhaft darüber, als der Reichs= 
kanzler, mindestens bis zu der neuen Revision der Verfassung 
von 1870, vielleicht bis zum Reichsbeamtengesetze von 1873, 
einfach ein preußischer Beamter war. Er war Beamter des 
Königs von Preußen in dessen Eigenschaft als „Präsidium“, wie 
man es neutral bezeichnet hat. Er war in diese neue Qualität 
eines preußischen Ministers, von dem ursprünglichen Gedanken 
eines preußischen Staatssekretärs aufgerückt. Hier konnte mir 
nicht ein Zweifel beikommen, daß nicht auch diesen preußischen 
Präsidialminister jeder andere, unter Umständen auch in der 
Kontrasignatur, werde vertreten können. Es kommt dazu, daß 
einfach danach gehandelt wurde, jahrelang. 
Die Zweifel, daß meine Berechtigung damals und noch jetzt, 
und zwar auf grund des Art. 15 besteht, sind erst aufgetaucht, 
als der Herr Abg. Hänel die entsprechende Debatte zu der von 
heute, etwa vor einem Jahre bei Gelegenheit meines damaligen 
Urlaubsgesuchs, anregte und dort den Zweifel aussprach, ob ich 
vertretbar wäre auf dem Gebiet der Kontrasignatur und Ver= 
antwortung, eine Frage, die der Herr Staatssekretär v. Bülow 
in meiner Abwesenheit dahin beantwortete, daß ich diese Ver= 
tretung nicht beanspruche, sondern daß ich die Verantwortlichkeit 
mit übernehmen würde. Ich habe mich damals, teils aus Un= 
fähigkeit zu streiten, eine Unfähigkeit, die aus meiner Krankheit 
hervorging, teils aus Friedensliebe dazu verstanden, und habe 
den Kampf nicht ausgenommen; aber ich habe die Zweifel, die 
mir entgegentraten, auch nicht einen Augenblick geteilt, und ich 
habe mir damals gedacht, es ist besser, diese Zweifel in freund= 
licher Weise zu erledigen durch eine Gesetzvorlage, von der ich 
glaubte, sie sei sehr leicht gemacht, da ich annahm, darüber, daß
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.