83
weiß garnicht, wie man sich die Sache anders denken könnte,
wenn Preußen jetzt mit einemmal über sein Budget hinaus
60 Millionen mehr bekäme; wenn es dann nicht den Weg be=
schritte, der von den darüber sprechenden Herren gewünscht ist,
so müßte man ja voraussetzen, daß ein im medizinischen Sinn
geisteskrankes Ministerium in Preußen regierte! Was soll denn
Preußen mit dem Gelde machen? Es kann es doch nicht ver=
graben, auch nicht verschenken, es muß in irgend einer Weise
darüber bestimmt werden! Nun kann die preußische Regierung
auch nicht über einen einzigen Taler bestimmen, ohne Einwilligung
des Landtages. Es wird also der ganz natürliche und not=
wendige Fall eintreten, daß die preußische Regierung dem Land=
tag den Vorschlag macht, so und soviel Steuern an die Provinzen,
Kreise und Gemeinden abzuschreiben, so und soviel Steuern
nachzulassen, weil sie entbehrlich sind.
Wenn allerdings die Verbesserung der Reichssteuern davon
abhängig bleiben sollte, wenn die Herstellung eines Zustandes,
in welchem das gesamte Steuerbündel leichter zu tragen ist, als
bisher, davon abhängig gemacht werden sollte, daß vorher gewisse
politische Bedingungen erfüllt werden, dann werden wir uns in
einem trügerischen Zirkel befinden und nicht dazu kommen. Ich
kann mir aber doch nicht denken, daß jemand die Verantwortung
übernehmen wollte, eine zweifellose Verbesserung in unserem
ganzen wirtschaftlichen Leben darum hintenanzuhalten, weil eine
gewisse politische Klausel in einem der Reichsländer existiert, die
nicht nach seinem Sinn geregelt ist. Ich glaube, die Untunlich=
keit dafür würde ganz einleuchten, wenn man den Spieß um=
kehrt und annimmt, die Regierung wollte ihrerseits die Besse=
rung der wirtschaftlichen Lage, die Entwickelung von frucht=
bringenden und zweckmäßigen Steuervorlagen, davon abhängig
machen, daß ihr erst eine politische Konzession gemacht würde,
also zum Beispiel, daß in Bayern das Steuerbewilligungsrecht
vermindert würde. — — Ich möchte daher ein Vorurteil be=
kämpfen, welches sich, wie ich fürchte, in unserer öffentlichen
Meinung festsetzt, nämlich, daß Regierung und Volksvertretung
6*