Full text: Bismarcks Staatsrecht.

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weiß garnicht, wie man sich die Sache anders denken könnte, 
wenn Preußen jetzt mit einemmal über sein Budget hinaus 
60 Millionen mehr bekäme; wenn es dann nicht den Weg be= 
schritte, der von den darüber sprechenden Herren gewünscht ist, 
so müßte man ja voraussetzen, daß ein im medizinischen Sinn 
geisteskrankes Ministerium in Preußen regierte! Was soll denn 
Preußen mit dem Gelde machen? Es kann es doch nicht ver= 
graben, auch nicht verschenken, es muß in irgend einer Weise 
darüber bestimmt werden! Nun kann die preußische Regierung 
auch nicht über einen einzigen Taler bestimmen, ohne Einwilligung 
des Landtages. Es wird also der ganz natürliche und not= 
wendige Fall eintreten, daß die preußische Regierung dem Land= 
tag den Vorschlag macht, so und soviel Steuern an die Provinzen, 
Kreise und Gemeinden abzuschreiben, so und soviel Steuern 
nachzulassen, weil sie entbehrlich sind. 
Wenn allerdings die Verbesserung der Reichssteuern davon 
abhängig bleiben sollte, wenn die Herstellung eines Zustandes, 
in welchem das gesamte Steuerbündel leichter zu tragen ist, als 
bisher, davon abhängig gemacht werden sollte, daß vorher gewisse 
politische Bedingungen erfüllt werden, dann werden wir uns in 
einem trügerischen Zirkel befinden und nicht dazu kommen. Ich 
kann mir aber doch nicht denken, daß jemand die Verantwortung 
übernehmen wollte, eine zweifellose Verbesserung in unserem 
ganzen wirtschaftlichen Leben darum hintenanzuhalten, weil eine 
gewisse politische Klausel in einem der Reichsländer existiert, die 
nicht nach seinem Sinn geregelt ist. Ich glaube, die Untunlich= 
keit dafür würde ganz einleuchten, wenn man den Spieß um= 
kehrt und annimmt, die Regierung wollte ihrerseits die Besse= 
rung der wirtschaftlichen Lage, die Entwickelung von frucht= 
bringenden und zweckmäßigen Steuervorlagen, davon abhängig 
machen, daß ihr erst eine politische Konzession gemacht würde, 
also zum Beispiel, daß in Bayern das Steuerbewilligungsrecht 
vermindert würde. — — Ich möchte daher ein Vorurteil be= 
kämpfen, welches sich, wie ich fürchte, in unserer öffentlichen 
Meinung festsetzt, nämlich, daß Regierung und Volksvertretung 
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