Full text: Bismarcks Staatsrecht.

87 
Bestimmung war ein partikularistisches Zugeständnis, das der 
Bundesrat durchgesetzt, um die Vertretung in solchen Angelegen= 
heiten auszuschließen, deren Schwerpunkt in der Beaufsichtigung 
der Bundesstaaten liegt. Der Gesamtvertreter, oder die Spezial= 
vertreter nehmen alle Amtshandlungen mit derselben Gültigkeit 
und Verantwortlichkeit vor, wie der Reichskanzler; indessen kann 
dieser seinerseits auch während der Stellvertretung alle Amts= 
handlungen selber vornehmen. Die Ernennung geschieht durch 
den Kaiser auf Antrag des Reichskanzlers. 
Das Stellvertretungsgesetzt¹⁹) ist unterm 17. März 1878 
erlassen. Der Gedanke desselben aber ist in der bekannten 
Varziner Verhandlung von Weihnachten 1877 gefaßt worden ²⁰), 
welche die Verstärkung der Reichsregierung in einer Weise be= 
zweckte, die über die Anstellung tüchtiger, aber unselbständiger 
Ressortchefs unter dem Kanzler hinausgehen sollte. Das Gesetz ist 
¹⁹) Reichsgesetz, betr. die Stellvertretung des Reichskanzlers, vom 
17. März 1878: 
§ 1. 
„Die zur Gültigkeit der Anordnungen und Verfügungen des Kaisers er= 
forderliche Gegenzeichnung des Reichskanzlers, sowie die sonstigen demselben durch 
die Verfassung und die Gesetze des Reichs übertragenen Obliegenheiten können 
nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen durch Stellvertreter wahrgenommen 
werden, welche der Kaiser auf Antrag des Reichskanzlers in Fällen der Be= 
hinderung desselben ernennt. 
§   2. 
Es kann ein Stellvertreter allgemein für den gesamten Umfang der Ge= 
schäfte und Obliegenheiten des Reichskanzlers ernannt werden. Auch können 
für diejenigen einzelnen Amtszweige, welche sich in der eigenen und unmittel= 
baren Verwaltung des Reiches befinden, die Vorstände der dem Reichskanzler 
untergeordneten obersten Reichsbehörden mit der Stellvertretung desselben im 
ganzen Umfang oder in einzelnen Teilen ihres Geschäftskreises beauftragt 
werden. 
§   3. 
Dem Reichskanzler ist vorbehalten, jede Amtshandlung auch während der 
Dauer einer Stellvertretung selbst vorzunehmen. 
§   4. 
Die Bestimmung des Artikel 15 der Reichsverfassung wird durch dieses 
Gesetz nicht berührt.“ 
²⁰) efr. „National=Ztg.“ vom 12. März 1890.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.