Zweiter Teil.
(Fortsetzung.)
Das Verfassungsrecht.
Dritter Abschnitt.!
Das Staatsbürgerrecht.
Zweites Kapitel.?
Die Gliederung der Staatsangehörigen.
8. 50.
Gleichheit der Staatsbürger vor dem Gesetze.
I. Wie in Deutschland überhaupt, so hatte sich auch in Preußen aus den Ver-
hältnissen des Mittelalters jene schichtweise Abstufung der Stände, als der Gliederungen
des sozialen Lebens, entwickelt, nämlich die Vereinigungen verschiedener Genossenschaften,
deren jede ihr eigentümliches Recht besaß, ihre Genossen schützte und richtete, auch mit
verschiedenartigen politischen Rechten ausgestattet, und teilweise von letzteren gänzlich
ausgeschlossen war." In diesem Sinne gab es im Mittelalter einen Stand der Dy-
nasten, aus welchem zunächst der hohe Adel (Fürsten= und Herrenstand) hervorging,
einen Stand der Ritter, der Lehnsleute, Dienstleute, Geistlichen und Gemeinfreien.
Letzterer umfaßte anfangs die freien Landeigentümer und die Bewohner der Städte. In
diesen entwickelte sich nach und nach die Munizipalverfassung, und es bildete sich ein
besonderer Bürgerstand aus. Als Hauptstände erscheinen im späteren Mittelalter der
Adel-, Bürger= und Bauernstand. Von der Zeit an indes, wo mit dem Verfalle
der Feudalmonarchie diese letztere in den nationalen Staat überzugehen beginnt, wo mit
1 Der erste Abschnitt des Verfassungsrechts
hane vom Staatsgebiete, der zweite von dem
Träger und den Organen der Staatsgewalt ge-
handelt. (Bd. I, S. 191 ff., 204 ff.)
* Das erste Kapitel dieses dritten Abschnitts
erörterte Begriff, Erwerb und Verlust der Staats-
angehörigkeit (Bd. 1., S. 597 ff.).
2 Vgl. Bluntschli, Allgem. St. R., 6. Aufl.,
Bd. II, S. 656 ff.; Held, System des Verf. R.,
Bd. II, S. 610 ff.; Zöpfl, Grunds. des gem.
d. St. R., 5. Aufl., Bd. II, S. 89 ff.; H.
Schulze, Preuß. St. R. Bd. I, (2) S. 407 ff.;
G. Meyer, Lehrb. d. d. St. R. (5) S. 749 ff.
Uber den Ursprung der verschiedenen Stände
in Deutschland vgl. Pütter, Uber den Unter-
schied der Stände, besonders des hohen und niederen
Adels in Deutschland (Göttingen, 1795); K.
D. Hüllmann, Geschichte des Ursprungs der
v. Rönne-Zorn, Preuß. Staatsrecht.
5. Aufl. 11.
Stände in Deutschland, 3 Tle., (Frankf. a. O.,
1806 — 1808) 2. Aufl., 1830; G. Göhrum,
Geschichtliche Darstellung von der Ebenbürtigkeit
nach gem. d. Rechte mit besonderer Rücksicht
auf die Entwicklung der Geburtsstände, 2 Bde.
(Tübingen, 1848); E. Montag, Geschichte
der deutschen staatsbürgerlichen Freiheit, oder der
Rechte der gemeinen Freien, des Adels und der
Kirchen Deutschlands, Bd. 1 und II (Bamberg,
1812— 15). — Von neuerer Literatur vgl.
Brunner, Deutsche Rechtsgesch. 1, S. 224 ff.;
desselben Grundzüge der d. Rechtsgesch. (1901),
S. 8, 83 ff., 167, 222 ff.; Schröder, D.
Rechtsgesch., (4) S. 46 ff., 214 ff., 434 ff., 804 ff.
(hier auch noch zahlreiche weitere Lit. Angaben);
Bornhak, St. R., I, S. 280; Gierke, D.
Priv. R., 1, S. 395 ff.: Anschütz, Deutsches
Staatsrecht in Holvendorff-Kohlers Enzyklopädie
(1904), Bd. II, S. 535.
1