Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

148 Das Staatsbürgerrecht. 
G. 55.) 
11. Die Kommunalabgaben der höheren Gemeindeverbände, Kreise und Provinzen, 
werden nach Maßgabe der verschiedenen Kreis= und Provinzialordnungen erhoben, die 
Provinzialsteuern nur in der Form von Zuschlägen zu den Kreissteuern, die letzteren da- 
gegen, nach der gesetzlichen Regel, zwar auf den Einzelnen gelegt, von den Städten und 
in einigen Provinzen, auch von den Landgemeinden aber gleichfalls als Teil der ge- 
samten Gemeindesteuer behandelt. Das Kommunalabgabengesetz 1 enthält hierüber nur 
einige Einzelvorschriften. 
12. Die Vorschriften Über zwangsweise Beitreibung von Staatssteuern gelten auch 
für die Kommunalsteuern jeder Art. 
13. Die Staatsaufsicht über das Kommunalsteuerwesen besteht hauptsächlich in 
der vielfach geforderten Staatsgenehmigung durch die Kommunalaufsichtsbehörde, selbst 
der Minister des Innern und der Finanzen, für Gemeindebeschlüsse; da die neue Gesetz- 
gebung der Autonomie der Gemeinden sehr weiten Raum gibt, andererseits völlig neue 
Bahnen eingeschlagen wurden, mußte das staatliche Aufsichtsrecht weit ausgedehnt werden. 
In zahlreichen Fällen aber können die Entscheidungen der Aufsichtsbehörde durch Klage 
im Verwaltungsstreitverfahren angefochten werden. Unter bestimmten gesetzlichen Voraus- 
setzungen kann die staatliche Aufsicht selbst bis zu positiven Anordnungen reichen (§F. 78).“ 
VII. Streitigkeiten Über Steuerpflicht sind gemäß der öffentlichrechtlichen Natur 
dieser Pflicht Verwaltungssachen; nur ausnahmsweise kraft besonderer Gesetzesvorschrift 
findet der ordentliche Rechtsweg statt. Dagegen hat die neuere Gesetzgebung in weitem Um- 
fange den Weg des Verwaltungsstreitverfahrens in Steuersachen eröffnet, insbesondere auch 
in Kommunalsteuersachen, s. hierüber Bd. III in dem Abschnitt über die Verwaltungs- 
gerichtsbarkeit. Das Gesetz v. 24. Mai 1861, über Erweiterung des Rechtsweges, über- 
weist Steuerstreitigkeiten den ordentlichen Gerichten 1. wenn Zahlung oder Verijährung 
behauptet, 2. wenn der Charakter der Abgabe als öffentlich -rechtlicher Steuer bestritten 
wird (§§. 9, 10). Auch diese Ausnahmen haben heute nach Ausbildung der Verwal= 
tungsgerichtsbarkeit keine Berechtigung mehr. Außerdem entscheiden die ordentlichen Ge- 
richte in allen Stempelsteuersachen, ferner in Erbschaftssteuersachen (Ges. v. 24. Mai 
1891, §. 42). 
VIII. Über Dispensation von der Steuerpflicht durch Steuererlaß s. in der Lehre 
von der Gesetzgebung. 
  
1 K. A. G., §s§. 91—93; Schön, S. 412 ff., 
463 f.; Herrfurth, a. a. O., S. 605. Die 
besondere Betriebssteuer vom Wirrtschaftsge- 
werbe, s. S. 144, Gew. St. G., §§. 59—69, 
verbunden mit G. v. 14. Juli 1893, §. 12 ist 
den Kreiskommunen zur Deckung ihrer Bedürfnisse 
überwiesen (G. v. 14. Juli 1893, §. 13); vgl. 
Schön, S. 428 ff. 
* K. A. G., §. 90 m. Verordn. v. 15. Nov. 
1899. (G. S., S. 545) über das Verwaltungs- 
zwangsverfahren mit dem Zusatz v. 18. März 
1904 (G. S., S. 36); vgl. Schön, S. 320 ff. 
8 K. A. G. ., 88. 77, 18— dazu Herrfurth 
in Conrads Handwörierb., Suppl. Bd. I, S. 
595, 600. 
  
“ S. dazu die Kritik von Herrfurth, a. a. O., 
S. 603. 
5 Vgl. Schön, S. 317 ff., 428 ff.; G. 
Meyer, Verw. R., Bd. II, S. 201, 203, 220, 
bes. N. 7 die sehr richtige Polemik gegen den vom 
Reichsgericht hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechts- 
weges eingenommenen grundsätzlichen Standpunkt. 
— Uber das Rechtsmittelverfahren bezüglich der 
Einkommensteuer Eink. St. G., §§. 40—49. (Be- 
rusung, sodann Beschwerde beim Oberverwaltungs- 
gericht, bei welchem demgemäß besondere, zurzeit 
drei, Steuersenate gebildet sind.) Für die Gewerbe- 
steuer Gew. St. G., §8§. 35—37. Für die Ergän- 
zungssteuer Ergänz. St. G., §§. 33—36. Für die 
Kommunalabgaben K. A. G., 8§. 69—76.
	        
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