Freiheit und Sicherheit der Person. (8. ö7.) 155
Im Falle des Belagerungszustandes kann Art. 5 außer Kraft gesetzt werden, vergl.
hierzu Verf. Urk., Art. 111. Außer Betracht bleibt hier selbstverständlich die Straf-
vollstreckungshaft, einschließlich der durch Umwandlung von Geld= in Freiheitsstrafe ent-
stehenden Haft.
1. Die Verhaftung kann entweder ein strafprozessualischer Akt, oder eine polizei-
liche Maßregel sein. Das gegen solche Personen, welche sich eines Verbrechens ver-
dächtig gemacht haben, gerichtete Verhaftungsrecht des Richters, welches sich unter dem
Einflusse des Inquisitionsprozesses zu einem fast unbeschränkten ausgebildet hatte, war
vor Trennung der Justiz von der Verwaltung von dem polizeilichen Verhaftungsrechte
nicht streng geschieden, weil die Funktionen der Gerichte und der Verwaltungsbehörden
meist in einer Hand vereinigt waren, und weil die Polizei ebenso wie die Strafjustiz
für befugt erachtet wurde, Verhaftungen, und zwar nicht bloß wegen begangener Ver-
brechen, sondern auch zur Verhinderung derselben, vorzunehmen.1
Infolge der Bestimmung des Art. 5 der Verfassungsurkunde ist das Gesetz zum
Schutze der persönlichen Freiheit v. 12. Febr. 1850 2, und zwar für den ganzen damaligen
Umfang der Monarchie ergangen, welches durch den §. 1, Ziffer 4 des Gesetzes v.
30. April 18513 auch in den hohenzollernschen Landen eingeführt worden ist. Das-
selbe hat demnächst auch Geltung erhalten: a) in dem früher zur Landgrafschaft Hessen-
Homburg gehörigen (jetzt mit dem Regierungsbezirke Koblenz vereinigten) Oberamtsbezirke
Meisenheim, zufolge der Verordnungen v. 13. Mai 1867 und v. 20. Sept. 1867, §. 117,
und b) in der vormals Königlich bayerischen (jetzt mit dem Regierungsbezirke Erfurt
vereinigten! Enklave Kaulsdorf, zufolge der Verordnung v. 22. Mai 1867.5 Dagegen
ist dasselbe nicht zur Einführung gelangt in den übrigen durch die Gesetze v.
20. Sept. und 24. Dez. 1866 mit der preußischen Monarchie vereinigten Ländern,
für welche indes in der für dieselben erlassenen und durch die Verordnung v. 25. Juni
18677 publizierten Strafprozeßordnung im wesentlichen mit dem Gesetze v. 12. Febr.
1850 übereinstimmende Vorschriften enthalten sind.
2. Die durch das Gesetz v. 12. Febr. 1850, beziehungsweise durch die Straf-
prozeßordnung v. 25. Juni 1867 zum Schutze der persönlichen Freiheit erteilten Vor-
schriften haben nunmehr für das Gebiet des Strasprozesses ihre Erledigung gefunden
Beschränkungen ein besonderes Gesetz in Aussicht 3 G. S. 1851, S. 188.
gestellt werde. Mit Rücksicht hierauf beantragte G. S. 1867, S. 700 u. S. 1534.
die Komm. folgende Fassung: „Das Gesetz be 5 G. S. 1867, S. 729.
stimmt die Bedingungen und Formen, unter 63)K. 6 ist speziell eingeführt in Hannover
welchen eine Verhaftung zulässig ist". Diese Kr. O. v. 6. Mai 1884, §. 35, Nr. 1), in
Anderung wurde indes nicht für nötig erachtet Schleewig-Holstein (Kr. O. v. 26. Mai 1888,
(vgl. Stenogr. Ber. 1819—50 der I. K., S. 650, S. 27, r4 1); Helgoland (G. v. 18. Febr.
u. der II. K., S. 491, u. v. Rönnes Bearbeitung 1891, §. Fr. 1); s. Schwartz, Verf. Urk.,
der Verf. Urk., Art. 5, S. 25—206). S. 57 liber den Inhalt dieses §. 6, (.
1 Vgl. G. Meyer-Anschütz, Lehrb. des D. S. 159 66
St. R., S.801 ff. und den Aufsatz von Lotz, über * G. S. 1867, S. 921 ff.
das Verhältnis der Polizei zur Kriminaljustizi im 8 * Oo. u hat in Erk. v. 25. März
neuen Archiv des Krim. R., Bd. V, S. 184 ff., 1870 (Oppenhoff, Rechtspr., Bd. XI, S. 198:
188 ff.; H. Seuffert, a. a. O., S. 673. Goltdammer, Arch., Bd. XVIII, S. 435) und
2 G. S. 1850, S. 45, und den Entw. dieses v. 20. Juni 1870 Goltdammer, Arch., a. a. O.,
Gesetzes nebst den Motiven in den Stenogr. Ber. S. 286) ausgesprochen, daß das G. v. 12. Febr.
1849—50 der I. K., Bd. III, S. 1231—37, 1850 nur auf Verhaftungen und vorläufige Fest—
und die Komm. Ber. und Verhandl. darüber, nahme als Vorbereitung bezw. Sicherung solcher
ebendas., I. K., Bd. IV, S. 1645 ff. und II. K., Verhaftungen Anwendung findet, sich dagegen
Bd. IV. S. 2381 ff. u. 2113 ff. — Dies Gesetz nicht auf den Zwang bezieht, welcher angewendet
ist (nach dem Eingange desselben) an die Stelle, wird, um denjenigen, welcher sich weigert, per-
des dadurch aufgehobenen G. v. 24. Sept. 1818 sönlich vor der Behörde zu erscheinen, durch
getreten. Dasselbe handelt in seinem ersten Teile Zwang („,Sistierung“) zu gestellen. In gleicher
(§§. 1—6) von Entziehung der Freiheit auf Grund Weise ist dies festgestellt vom Reichsgericht: Entsch.
ciner richterlichen oder polizeilichen Verfügung, in i Saan. Bd. I, S. 33, Bd. II, S. 262;: s. ferner
dem zweiten Teile §§.7—13) von dem Eindringen rin O. V. G., Bd. IX, S. 375. Vgl. auch
in eine fremde Wohnung zur Vornahme einer Arndt in sDirühe Annal. 1886, S. 313; ferner
Haussuchung oder zu anderen erlaubten Zwecken. gegen Arndt H. Seuffert, a. a. O., S. 675;
Vgl. auch Schwartz, Verf. Urk., S. 57 ff. über die „Sistierung“ s. S. 160 f.