Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

158 Das Staatsbürgerrecht. (8. 57.) 
nicht bis zur Entscheidung des Richters aufgeschoben werden kann (8. 127, Abs. 2.. 
In betreff der Voraussetzungen des Haftbefehls sind dieselben Bestimmungen maßgebend, 
welche bezüglich der vom Richter anzuordnenden Untersuchungshaft (88. 112, 113 a. a. O.) 
gelten; es braucht mithin der Anlaß zur Festnahme nicht notwendig in der Flruchtgefahr, 
sondern er kann auch in der Kollusionsgefahr liegen.7 
5. Im Falle des Betreffens oder der Verfolgung auf frischer Tat aber verhält 
es sich anders; hier ist nämlich jedermann? zur Festnahme befugt, falls entweder Flucht- 
verdacht vorliegt oder die Persönlichkeit des Betroffenen nicht sofort festgestellt werden 
kann; auf die Beschaffenheit der Tat kommt es hierbei nicht an.? Die Befugnis der 
Staatsanwaltschaft, beziehungsweise der Polizei= und Sicherheitsbeamten zur Festnahme 
greift in diesem Falle selbstverständlich gleichmäßig Platz (§. 127 a. a. O.). Gleich dem 
auf richterlichen Befehl Verhafteten ist auch der vorläufig Festgenommene unverzüglich, 
insofern er nicht wieder in Freiheit gesetzt wird, dem Amtsrichter des Bezirks, in welchem 
die Festnahme erfolgt ist , vorzuführen, und der Amtsrichter hat ihn spätestens am Tage 
nach der Vorführung zu vernehmen (§. 128, Abs. 1 a. a. O.). Wenn der Amtsrichter 
die Festnahme nicht für gerechtfertigt oder die Gründe derselben für beseitigt hält, so 
hat er die Freilassung zu verordnen, andernfalls den Haftbefehl zu erlassen, auf welchen 
alsdann dieselben Vorschriften Anwendung finden, welche bezüglich eines vor Erhebung 
der öffentlichen Klage erlassenen Haftbefehls (§. 126 a. a. O.) gelten (§. 128, Abs. 2 
a. a. O.).5 Wenn aber gegen den Festgenommenen bereits die öffentliche Klage erhoben 
ist, so ist derselbe entweder sofort oder auf Verfügung des Amtsrichters, welchem derselbe 
  
nahme (M. Bl. d. i. Verw. 1881, S. 60, J. des G. v. 12. Febr. 1850 vorliegen. Das Reichs- 
M. Bl. 1881, S. 35) getreten. Neuerlich ist gericht gründet diese Entscheidung auf die Be- 
durch den Minister des Innern unterm 21. Mai stimmungen des s. 2 des G. v. 12. Febr. 1850, 
1892 an die Regierungspräsidenten u. den Poli= nimmt also die Fortdauer der Vorschriften dieses 
zeipräsidenten zu Berlin eine Zirk. Verf. über Gesetzes für das rein polizeiliche Gebiet an; s. 
das Verhaftungsrecht der Beamten des Polizei= hierüber unten S. 159, Ziff. 6. 
u. Sicherheitsdienstes als Hilfsbeamten der Staats- 2 Auch der Jagdberechtigte, welcher in seinem 
anwaltschaft ergangen, s. dieselbe bei Schwartz, Jagdbezirke jemand bei unbefugter Jagdausübung 
Komm., S. 62 f.; vgl. auch H. Seuffert, a. a. oder deren Begünstigung betrifft (Erk. des Ob. 
O., S. 688 f. Uber die Behandlung von Gefan= Trib. v. 9. Juli 1879, Oppenhoff, Rechtspr., 
genen u. vorzuführenden Personen auf dem Trans= B-Bd. XX, S. 329). 
port, vgl. Verf. d. M. d. Inn. u. d. Just. (M. Bl. * H. Seuffert, a. a. O., S. 687: „Diese 
f. i. Verw. 1902, S. 231) v. 12. Dez. 1902. Bestimmung enthält einen tiefen Eingriff in die 
1 Das Ob. Trib. hat in dem Erk. v. 8S. März sonst anerkannte Unverletzlichkeit der persönlichen 
1876 (J. M. Bl., S. 107; M. Bl. d. i. Verw. Freiheit und eine Einschränkung der dem §. 239 
1876, S. 112; Oppenhoff, Rechtspr., Bd. XVII, St. G. B. zugrunde liegenden Verbotsnormen. 
S. 189; Goltdammers Arch., Bd. XXIV. Ob die Tat ein Verbrechen, ein Vergehen oder 
S. 221) den Grundsatz ausgesprochen, daß die eine Ubertretung, ist bei Gegebensein der sonstigen 
Rechtmäßigkeit der Festnahme einer Person, die Voraussetzungen unerheblich“; vgl. Löwe, S. 
in Ausführung einer strafbaren Handlung be= 405 („auf frischer Tat“). 
troffen ist, durch Polizeibeamte nicht dadurch 4 Das Reskr. des M. d. Inn. v. 8. Jan. 
bedingt ist, daß sie den Beamten persönlich un- 1880 (M. Bl. d. i. Verw., S. 29) bemerkt, daß, 
bekannt ist, und ebensowenig davon abhängt, wenn der Amterichter seinen Sitz nicht innerhalb 
ob sie nach Lage der Sache unbedingt geboten des Dienstbezirkes des aufgreifenden Beamten hat, 
war. Das Reichegericht hat in dem Erk. v. 3. letzterer nur verpflichtet ist, den von ihm Fest- 
Febr. 1880 (Entsch. i. Strafs., Bd. I, S. 93); genommenen an die Ortspolizeibehörde abzuliefern, 
auegeführt, daß es für die Frage, ob die vor= von welcher demnächst das erforderliche wegen der 
läufige Ergreifung und Festnahme einer Person Vorführung des Festgenommenen vor den Amts- 
bei Ausführung einer strafbaren Handlung oder richter anzuordnen ist. 
gleich nach derselben erfolgen dürfe, nicht auf den 5 Der Vorführung des in Gemäßheit des §. 
etwaigen weiteren Zweck antommt, welchen die 128 Festgenommenen vor den Amtsrichter bedarf 
Amsführungsbeamten bei ihrem Vorgehen ver= es nicht, wenn derjenige, welcher die Festnahme 
folgten. Dieselben könnten sehr wohl bezwecken, bewirkt hat, oder derjenige zuständige Beamte, 
den Festgenommenen von der Verübung fernerer dem der Festgenommene zunächst zur Verfügung 
Straftaten abzubalten, ohne daß die Ansführung gestellt wird, Veranlassung findet, ihn alsbald 
der Festnahme und die darauf gerichtete Absicht selbst wieder in Freiheit zu setzen. Die von 
unberechtigt wären. Der Polizeibeamte habe einem Beamten bewirkte Festnahme kann auch von 
nicht zu prüfen, welches die Wirkungen und dem zuständigen Vorgesetzten desselben alsbald 
Folgen der Festnahme sind, sondern nur, ob für wieder auigehoben werden. Wenn sich am Sitze 
letztere die gesenlichen Voraussenungen des §. 2 des Amtsrichters auch eine zuständige Staats- 
 
	        
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