Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Gleichheit der Staatsbürger vor dem Gesetze. (§. 50.) 7 
staatsgrundgesetzlich festgestellt, daß die Geburt niemand ein Vorrecht auf Staatsämter 
im Zivil= und Militärdienst gibt, sondern daß ein jeder ohne Unterschied des Standes 
sich um dieselben, wenn er die gesetzlichen Bedingungen der Befähigung dazu erfüllt?, 
bewerben und sie erlangen kann. Aus dem Rechte der Bewerbung um öffentliche Amter 
und dem Rechte zur Erlangung derselben folgt aber keine Verbindlichkeit der Staats- 
regierung, dem Bewerber um ein Amt dasselbe zu verleihen, sondern jenem 
Rechte gegenüber steht rechtlich die Befugnis der Staatsregierung, jeden 
Dienstbewerber, selbst wenn dessen Befähigung anzuerkennen ist, dennoch 
zu übergehen. Es würde nur unstatthaft sein, ganze Kategorien von Personen ein für 
allemal für unfähig zur Erlangung von Amtern zu erklären und es würde nicht bloß 
dem Sinne und Geiste des Art. 4 widersprechen, sondern auch gegen die Grundsätze der 
Gerechtigkeit verstoßen, wenn bei gleichmäßiger Befähigung mehrerer gleichberechtigter 
Bewerber anderen als sachlichen Gründen das entscheidende Gewicht beigelegt werden 
wollte. 5 
An und für sich enthält die in Rede stehende Bestimmung des Art. 4 der Ver- 
fassungsurkunde nur eine Festsetzung zugunsten preußischer Staatsbürger; es ist in- 
des keineswegs die Absicht dahin gegangen, die Verleihung von ÄAmtern an Nichtpreußen 
für ganz unstatthaft zu erklären; vielmehr ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des 
dritten Satzes des Art. 4 das Gegenteil. 
Bei der Revision desselben ist nämlich diese 
Frage, und zwar in dem Zentralausschusse der Ersten Kammer, ausdrücklich zur Sprache 
  
haltenden Bestimmungen bezüglich der Zivilver- 
sorgungsansprüche von Militärpersonen) vor- 
ausgesetzt (vgl. Stenogr. Ber. der I. K. 1819—50, 
Bd. II, S. 644, u. Bd. IV, S. 1196, desgl. 
der II. K., Bd. I, S. 491). — Nach der Fassung 
des Art. 4 in der Verf. Urk. v. 5. Dez. 1848, 
in welchem die Worte „unter Einhaltung der 
von den Gesetzen festgestellten Bedingungen“ 
fehlten, war das Staatsministerium darüber 
zweifelhaft, ob dadurch diejenigen Beschränkungen 
aufgehoben seien, welche die Behörden nach den 
seitherigen Vorschriften bei Anstellung der unteren 
Beamten zu beobachten haben; indes wurde an- 
genommen, daß, mit Rücksicht auf den Art. 108 
(jetzt Art. 109) der Verf. Urk., bis zur Revision 
der Verfassung nach den hinsichtlich der unteren 
Beamten bisher befolgten Vorschriften zu ver- 
fahren sei (vgl. Reskr. des Finan zmin. v. 6. Okt. 
1849. M. Bl. d. i. Verw. 1849, S. 217). Mit 
Rücksicht auf die oben erwähnten Motive des ein- 
geschalteten Satzes ist zweifellos, daß die Be- 
stimmungen üÜber die Zivilversorgungsansprüche 
von Militärpersonen im Subalterndienste in Gel- 
tung verblieben sind, wodurch indes andere Be- 
werber nicht ausgeschlossen sind, sondern nur bei 
der Konkurrenz mit Zivilversorgungsberechtigten 
diesen nachstehen müssen (vgl. den Ber. der Rev. 
Komm. der II. K. in den Stenogr. Ber. 1819—50, 
Bd. 1, S. 491). Diese Grundsätze sind auch 
weiterhin stets festgehalten worden und bilden die 
Grundlage einer umfassenden Neuordnung dieser 
Materie, die nunmehr von Reichs wegen, durch 
den Bundesrat erfolgt ist. (Zentralbl. f. d. D. 
R., 1882, S. 123 ff., 1899, S. 269). S. 
hierüber näheres in den Werken über deutsches 
Reichsstaatsrecht von Laband IV, S. 2141 ff.; 
Arndt, D. St. R. d. D. Reichs, S. 578 ff., 
593; Zorn, R. St. R. II, 629 ff., 640; sowie 
Bd. I, S. 440. 
1 Das A. L. R., II, 9, §§. 35 und 36 be- 
stimmte §. 35: Der Adel ist zu den Ehren- 
  
stellen im Staate, wozu er sich geschickt gemacht 
hat, vorzüglich berechtigt. §. 36: Doch bleibt 
dem Landesherrn die Beurteilung der Tüchtigkeit 
und die Auswahl unter mehreren Bewerbern un- 
benommen. — Der in S. 35 ausgesprochene 
Grundsatz ist indes in betreff des Militärs be- 
reits durch das Regl. v. 6. Aug. 1808 (Mylius, 
N. C. C. Tom. XII, S. 103; Rabe, Samml., 
Bd. IX, S. 271) ausdrücklich aufgehoben worden: 
„Einen Anspruch auf Offizierstellen sollen von 
nun an in Friedenszeiten nur Kenntnisse und 
Bildung gewähren, in Kriegszeiten ausgezeichnete 
Tapferkeit und Überblick. Aus der ganzen Nation 
können daher alle Individuen, die diese Eigen- 
schaften besitzen, auf die höchsten Ehrenstellen im 
Militär Anspruch machen. Aller bisher gehabte 
Vorzug des Standes hört beim Militär ganz auf, 
und jeder, ohne Rücksicht auf seine Herkunft, hat 
gleiche Pflichten und gleiche Rechte."“ In betreff 
der Zivilämter hatte kein ausdrückliches Gesetz 
den §. 35 aufgehoben; indes folgerte man die 
Aufhebung aus dem Eingange des Publik. v. 
5. Dez. 1808 (Rabe, Samml., Bd. IX, S. 384): 
„Die Nation erhält eine, ihrem wahren besten 
und dem Zwecke angemessene Teilnahme an der 
öffentlichen Berwaltung, und dem ausgezeichneten 
Talent in jedem Stande und Verhältnis wird Ge- 
legenheit eröffnet, davon zum allgemeinen Besten 
Gebrauch zu machen,“ (Bergius, Preußen in 
staatsrechtlicher Beziehung, 2. Aufl., S. 167; 
dagegen Buddeus, Krit. Jahrb., Bd. V, (18391, 
S. 541). Dieser Streit ist heute völlig gegen- 
standslos und hat nur mehr historische Bedeutung; 
aus den allgemeinen Betrachtungen des Publik. v. 
5. Dez. 1808 läßt sich allerdings juristisch nichts 
folgern. 
2 Über die gesetzlichen Bedingungen der Be- 
fähigung vgl. das Nähere Bd. 1, S. 437 ff., 441. 
2 S. hierüber Bd. I, S. 440 zu VII, ferner 
übereinstimmend Schwartz, Verf. Urk., S. 
56 f., 135.
	        
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