208 Das Staatsbürgerrecht. (8. ö8.)
freiheit verheißen. Allein schon das Edikt v. 30. Juli 1789, betreffend die künftige Ein-
richtung des Mennonitenwesens in sämtlichen damaligen Provinzen, exkl. Schlesien!, traf
anderweitige, das sogen. Gnadenprivilegium wesentlich ändernde Bestimmungen. Während jenes
Privilegium besondere Beschränkungen der Mennoniten außer der Abgabe von 15000 Mark
für die Militärfreiheit nicht erwähnt, legt dies Edikt ihnen die Verpflichtung auf, sämt-
liche Kirchen= und Schulabgaben, inklusive der Stolgebühren, gleich den protestantischen
Einwohnern zu tragen, beschränkt sie im Erwerbe von Grundsticken, knüpft den lbertritt
zum Mennonitentum an lästige Bedingungen, und läßt die Niederlassung neuer Mennoniten
nur beim Nachweise eines Vermögens von 6000 Mark und unter der Erfüllung anderer
Bedingungen zu. Noch weiter in den Beschränkungen der Mennoniten ging die zu
dem Edikte erlassene Deklaration v. 17. Dez. 1801.2 Nachdem in ihr diejenigen
Mennoniten, welche sich zur Leistung von Kriegsdiensten bereit erklären, von allen
Einschränkungen des Edikts v. 30. Juli 1789 befreit erklärt sind, wird denjenigen,
welche bei Verweigerung der Kriegsdienste verharren, der Erwerb neuer Grundstücke,
welche zur Zeit der Publikation der Deklaration noch nicht im Besitze kantonfreier Mennoniten
waren, gänzlich untersagt. Die Militärfreiheit soll zwar den zur Zeit der Publikation
der Deklaration mit Grundstücken angesessenen Mennoniten, resp. deren Söhnen gegen
Zahlung der Mennonitensteuer verbleiben; sie soll aber nur solange bestehen, als die
Grundstücke an männliche Intestaterben von Mennoniten vererben, bei anderen Besitz-
veränderungen gänzlich aufhören. Diese letztere strenge Bedingung wurde indes durch
die Kabinettsorder v. 24. Mai 1803 3 wieder aufgehoben und angeordnet, daß, wenn
einmal in den Händen von Mennoniten befindliche Grundstücke an fremde Mennoniten
veräußert werden, auch diese letzteren, resp. deren Söhne von der. Kantonpflicht befreit
sein sollen. Weitere Begünstigungen wurden den Mennoniten durch die Kabinettsorder
v. 25. Febr. 1824" gewährt, durch welche die Parzellierung mennonitischer Besitzungen
unter Mennoniten ausdrücklich zugelassen wurde; ferner durch die Kabinettsorder vom
13. Febr. 1825 5, welche zwar zu emphyteutischen Rechten besessene Grundstücke der
Mennoniten von der nach dem Gesetze v. 14. Sept. 1811 zulässigen Verwandlung in
Eigentum ausschließt, jedoch die Verlängerung der emphyteutischen Verträge zulüßt. Das
sogen. Gnadenprivilegium v. 29. März 1780, das Edikt v. 30. Juli 1789, dessen
Deklaration v. 17. Dez. 1801, die Kabinettsorder v. 23. Nov. 1803 und die vorstehend
angeführten späteren Ergänzungen sind, nachdem alle diese Bestimmungen durch die
Kabinettsorders v. 9. Juli 1840 und 9. Nov. 1843“ auch auf die in den ehemaligen
Gebieten des Freistaates Danzig und im kulm= und michelauschen Kreise wohnenden
Mennoniten ausgedehnt worden, und nachdem das preußische Provinzialrecht von 1844
ausdrücklich in §. 227 die Rechtsgiültigkeit der erwähnten Verordnungen anerkannt hat,
bis zum Erscheinen des Gesetzes v. 6. April 1848 über einige Grundlagen der künftigen
preußischen Verfassung, resp. der Verfassungsurkunde v. 31. Jan. 1850, als die Grund-
lagen der Rechtsverhältnisse der Mennoniten in der Provinz Preußen angesehen worden,
obwohl es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung fehlte, durch welche die ur-
sprünglich gewährte Freiheit von der Kantonpflicht mit der Befreiung von der durch das
Gesetz v. 3. Sept 1814 eingeführten allgemeinen Wehrpflicht gleichgestellt worden war.
8) Über die Rechtsverhältnisse der Mennoniten in der Rheinprovinz und in den
Provinzen Westfalen und Brandenburg ist die Kabinettsorder v. 16. Mai 1830 ; er-
gangen, welche in ihrem Eingange bemerkt, daß der größte Teil der mennonitischen
Familienhäupter nach den mit denselben gepflogenen Verhandlungen die Leistung der ge-
setzlichen Wehrpflicht übernommen habe, und sodann folgende Bestimmungen trifft: ##) die
Mitglieder derjenigen mennonitischen Familien, deren Häupter für sich und ihre Nach-
kommen die Militärpflicht übernommen haben, oder zu übernehmen noch erklären, sollen
v. Kamptz, Ann., Bd. VIII, S. 189.
1 Mylius, N. C. C. Tom. VIII, P. 2541;
A. a. O., Bd. IX, S. 154.
Rabe, Sammlung, Bd. I1, Abt. 7, S. 780.
* Mylius, N. C. C. Tom. XlI, P. 1221. Rabe, J. M. Bl. 1843, S. 302 u. 303.
Sammlung, Bd. VI, S. 686. G. S. 1844, S. 106.
* Rabe, Sammlung, Bd. III, S. 529. 1 G. S. 1830, S. 82.
——————