Freiheit und Sicherheit des Eigentums. (8. 58.) 209
in allen bürgerlichen Verhältnissen den übrigen christlichen Untertanen völlig gleich be-
handelt werden; 8) dagegen sollen diejenigen, welche die Militärpflicht verweigern, zwar
von derselben entbunden bleiben, jedoch hierfür eine Einkommensteuer von drei Prozent
entrichten, ihnen der Erwerb von Grundeigentum, welches sich nicht schon zur Zeit der
Publikation der Kabinettsorder v. 16. Mai 1830 in den Händen militärfreier Mennoniten
befand, untersagt sein, ihnen die Anstellungsfähigkeit im Staatsdienste, nicht aber zu
Kommunalämtern, abgesprochen, und die Ansiedlung und Aufnahme neuer Mennoniten
nicht erlaubt sein. Die zum Grunderwerb nicht berechtigten Mennoniten sollen verpflichtet
sein, sich desjenigen Grundbesitzes wieder zu entäußern, welchen sie oder ihre Vorfahren
nur infolge der Militärpflichtigkeit zu erwerben befugt gewesen sind, und sie sollen hier-
zu durch die Verwaltungsbehörden erforderlichenfalls gerichtlich angehalten werden.
) Hinsichts der Quäker und Separatisten, welche die Leistung der Militärpflicht ver-
weigern, sollen dieselben Bestimmungen, wie betreffs der Mennoniten, zur Anwendung
kommen.])
Durch die Verordnung v. 24. Juni 18671 ist bestimmt worden, daß die in den
im Jahre 1866 neu erworbenen Landesteilen wohnenden Mennoniten in bezug auf die
Militärdienstpflicht ihren in der Rheinprovinz, sowie in den Provinzen Brandenburg
und Westfalen wohnhaften Glaubensgenossen gleich behandelt werden und die für diese
bestehenden Vorschriften auch auf sie Anwendung finden sollen.
Hiernach wurden zur Zeit des Erlasses der Verfassungsurkunde folgende Grund-
sätze betreffs der Rechtsverhältnisse der Mennoniten als feststehend erachtet: a) diejenigen
Mennoniten, welche sich der Wehrpflicht nicht entziehen, wurden irgend welchen Be-
schränkungen nicht unterworfen; 8) die übrigen Mennoniten waren gegen Zahlung einer
jährlichen Abgabe vom Militärdienste befreit, und zwar hauptsächlich als Besitzer, resp.
Deszendenten von Besitzern solcher Grundstücke, die ursprünglich mennonitischen Eigentums
waren; Jy) das in den Händen der militärfreien Mennoniten befindliche Grundeigentum
durfte nicht vermehrt werden; Mennoniten konnten daher, so lange sie Freiheit vom
Militärdienste beanspruchten, nur solche Grundstücke, die bisher schon in den Händen von
Mennoniten waren, andere Grundstücke dagegen nur dadurch, daß dem Werte nach
gleiche Grundstücke aus dem mennonitischen Eigentume heraustraten, durch sogen. Über-
tragung des mennonitischen Konsenses erwerben?; 5) die militärfreien Mennoniten
wurden zu den dinglichen Lasten des Kirchen= und Schulverbandes und zu den per-
sönlichen Abgaben von Stolgebühren, gleich den zur Landeskirche gehörigen Kirchspiels-
einsassen, herangezogen.
Seit Erlaß der Verfassungsurkunde, und schon früher seit der Publikation des Ge-
setzes v. 6. April 1848 über einige Grundlagen der künftigen preußischen Verfassungs,
wurde indes das Fortbestehen der Gültigkeit dieser Spezialgesetzgebung in Frage gestellt.
Die Verfassungsurkunde spricht nämlich im Art. 4 den Grundsatz der Gleichheit aller
Staatsbürger vor dem Gesetze aus; sie bestimmt ferner im Art. 34 die Wehrpflichtig-
keit aller Preußen, und endlich im Art. 12, daß der Genuß der bürgerlichen und staats-
bürgerlichen Rechte unabhängig sein soll von dem religiösen Bekenntnisse, wobei dann
aber der dritte Satz dieses letztgedachten Artikels hinzufügt, „daß den bürgerlichen und
staatsbürgerlichen Pflichten durch die Religionsfreiheit kein Abbruch geschehen dürfe“.
Die Gesetzgebung seit Emanation der Verfassungsurkunde scheint auch von der Auf-
hebung jener früheren Spezialgesetze durch die Verfassungsurkunde ausgegangen zu sein;
denn das Ablösungsgesetz v. 2. März 1850 hat die Kabinettsorder v. 13. Febr. 18254,
durch welche die Mennoniten von den Wirkungen des Regulierungsedikts v. 14. Sept.
1811 ausgeschlossen werden, ausdrücklich aufgehoben 2, und es können daher jetzt alle
Mennoniten die Verleihung des Eigentums der von ihnen besessenen, an sich regulierungs-
fähigen Grundstücke auf Grund des Abschnittes III des Ablösungsgesetzes v. 2. März 1850
1 G. S. 1867, S. 1509. * Vgl. S. 208, N. 5.
1 Kab. O. v. 6. Juni 1845 (M. Bl. d. i. Verw. 5 S. 1. Nr. 12 des Ablösungsges. v. 2. März
1815. S. 280). 1850 (G. S., S. 78).
3i“
* G. S. 1848, 87.
v. Rönne -Forn, Preuß. Staatsrecht. 5. Aufl. II.
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