Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

214 Das Staatsbürgerrecht. (§. 58.) 
Preußischen Staate ein adliges Gut (d. i. ein Rittergut) oder ein Domänenvorwerk er- 
werben wollen, stets einer besonderen Erlaubnis des Ministers des Innern bediürfen 
solle. In betreff nichtpreußischer Angehörigen des Deutschen Reiches war diese Vor- 
schrift indes schon durch Art. 3 der Reichsverfassung und §. 1, Nr. 2 des Reichsgesetzes 
v. 1. Nov. 1867 über die Freizügigkeit für beseitigt zu erachten. 
III. Durch §. 1 des Gesetzes v. 28. Mai 1874 betreffend die Aufhebung des Homa- 
gialeides ist demnächst bestimmt worden, daß auch Ausländer (also Nichtreichsangehörige) 
zur Erwerbung von Rittergütern ferner keiner Spezialkonzession des Ministers des Innern 
bedürfen. Im übrigen aber gelten die für Deutsche maßgebenden Vorschriften hinsichtlich 
des Erwerbes von Grundeigentum nicht ohne weiteres auch für Ausländer. Vielmehr 
macht das Einführungsgesetz zum B. G. B. in dieser Richtung folgenden Vorbehalt, Art. 88: 
„Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche den Erwerb 
von Grundstücken durch Ausländer von staatlicher Genehmigung abhängig 
machen“. Demgemäß können in Preußen ausländische, d. i. nichtdeutsche Korporationen 
und andere juristische Personen des Auslandes Grundeigentum nur mit königlicher Ge- 
nehmigung erwerben und sind vor deren Erlangung alle Erwerbsverhandlungen dieser Art 
nichtig (G. v. 4. Mai 1846, G. S. 235, jetzt pr. Ausf. G. zum B. G. B. v. 20. Sept. 
1899 (G. S., S. 177j, Art. 7, §. 2). 
II. Unverletzlichkeit des Eigentums. ? " 
I. Zu den wichtigsten Zwecken des Rechtsstaates gehört, daß jedem Staatsbürger 
dasjenige gesichert sei, was er an Eigentum erworben hat. Die Gewähr aber, welche 
in dieser Beziehung dem Staatsbürger gegeben ist, legt der Staatsgewalt nicht bloß die 
Verpflichtung auf, einen jeden bei dem Seinigen gegen rechtswidrige Handlungen oder 
Unterlassungen Dritter zu schützen 5, sondern auch die, sich selbst jedes ungesetzlichen Ein- 
griffes in das Eigentum und die Privatrechte der Staatsbürger zu enthalten. Diesen 
Schutz garantiert Art. 9 der Verfassungsurkunde, welcher bestimmt: „Das Eigentum 
ist unverletzlich“ und: „Es kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohles 
gegen vorgängige, in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende 
Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden“. 
A. Die in dem ersten Satze des Art. 9 der Verfassungsurkunde ausgesprochene 
Gewährleistung der „Unverletzlichkeit des Eigentums““ erhält die nähere Bestimmung 
— 
zu fordern berechtigt.“ Diesen Schutz gewährt 
  
1 Vgl. Reskr. des M. d. Inn. v. 8. April 1868 
und Zirk. Restkr. des Justizmin. v. 4. Mai 1868 
(J. M. Bl. 1868, S. 134), welche dies bezücglich 
der Angehörigen des Nordd. Bundes anerkannt 
haben, indes zugleich bemerken, daß auch die nicht- 
preußischen Angehörigen des Nordd. Bundes, 
welche Rittergüter in Preußen erwerben, in gleicher 
Weise, wie Inländer, zur Ableistung des Hul- 
vigungseides verpflichtet- bleiben. Durch das G. 
v. 28. Mai 1874 (G. S. 1874, S. 195) ist in- 
des die Verpflichtung ur Ableistung des Homa- 
gialeides allgemein aufgehoben worden. 
* G. S. 1874, S. 195 und Entwurf dieses 
Gesetzes nebst Motiven) in den Stenogr. Ber. 
des Abg. H. 1873—74, Anl. Bd. IV, Aktenst. 
Nr. 320, S. 1926 ff. — gl. die Verhandlungen 
darüber in den Stenogr. Ber. des Abg. H. 1873 
—74, Bd. II, S. 1384 u. 1399, u. Stenogr. 
Ber. des H. H. 1873—74, Bd. I. S. 260. 
* G. Meyer, vLehrbuch, 6. Aufl., hag. von 
Anschütz, S .813. Schwartz, Verf. Urk., S.8 ff. 
* S. dazu Posener, Reichs= u. Landesrecht, 
101 f. und A. E. v. 14. Febr. 1832 G. S. 18). 
5 Der §. 76 der Einleitung zum A. V. N. sagt: 
„Jeder Einwohner des Staates ist den Schun 
deeselben für seine Person und sein Eigentum 
  
der Staat durch die Rechtspflege und die Ein- 
richtung einer zweckmäßigen Polizei. Otto Mayer, 
Die Entschädigungspflicht des Staates nach 
Billigkeitsrecht, 1904, verlangt, daß die Fälle 
der Entschädigungspflicht nicht kasuistisch von 
Einzelgesetzen zu formulieren, sondern durch eine 
Generalklausel zu bestimmen seien; über Ansprüche 
auf Auegleichung besonderer Nachteile aus der 
öffentlichen Verwaltung sollen nicht mehr die 
Zivilgerichte, sondern die Verwaltungsbehörden 
unter Vorbehalt der Berufung zum Oberverwal= 
tungsgericht entscheiden. Von diesem wünschens- 
werten Ziele, dem sich die zivilistische Denkungs- 
weise der meisten Juristen entgegenstellen wird, 
sind wir noch weit entfernt. 
* Der Satz des Art. 9: „Das Eigentum ist 
unverletzlich", war in dem (dem Art. 9 ent- 
sprechenden) §. 8 des Regierungsentwurfs der 
Verf. Urk. v. 20. Mai 1848 nicht enthalten. 
Ebensowenig findet sich derselbe in dem Entwurf 
der Verfassungskommission der Nationalversamm- 
lung, aus dessen Art. 33 der zweite Sat des 
jeigen Art. 9 entnommen ist (vgl. Stenogr. Ber. 
der Nationalversammlung, Bd. I. S. 2, und 
Rauer, Verhandl. der Verfassungskommission
	        
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