Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

218 Das Staatsbürgerrecht. (S. ö8.) 
sätzlicher Entschädigungsanspruch besteht gegenüber einer derartigen Anwendung der Staats- 
gewalt gleichfalls in keiner Weise; nur soweit besondere Rechtsvorschriften einen solchen 
ausdrücklich anerkennen, kann er geltend gemacht werden. ½ 
Somit sind in betreff der Materie der gezwungenen Eigentumsabtretung staatsgrund- 
gesetzlich nur deren äußerste Umrisse festgestellt, nämlich a) daß die Entziehung des 
Eigentums nicht anders zulässig sein soll, als „aus Gründen des öffentlichen Wohles“; 
b) nur gegen Entschädigung, und zwar in der Regel nur gegen „vorgängige“, welche 
indes „in dringenden Fällen“ nur „vorläufig festgestellt zu werden braucht““; endlich 
c nur „nach Maßgabe des Gesetzes“, also nicht willkürlich. 
II. Was nun insbesondere das Recht der Enteignung (Expropriation)? betrifft, 
so ist schon bei der Revision der oktroyierten Verfassungsurkunde v. 5. Dez. 1848 an- 
erkannt worden, daß der Art. 8 der letzteren #jetzt Art. 9) auf ein zu erlassendes voll- 
ständiges Enteignungegesetz verweise. Die Materie gehört vorzugsweise dem Staats- 
rechte an, insbesondere insofern es auf die Frage ankommt, wie weit der Staat das 
Eigentum der Staatsbürger aus öffentlichem Interesse in Anspruch nehmen oder be- 
schränken darf, und wenn dieselbe auch zugleich in das Privatrecht eingreift, insofern es 
nämlich auf die Ermittlung einer gerechten Entschädigung und auf Feststellung neuer 
Eigentumsverhältnisse ankommt, so erfordert doch die überwiegend staatsrechtliche Natur 
der Materie ihre gleichmäßige S##s für den ganzen Umfang des Staates. liber- 
  
Urk., S. 71 in sehr zutreffender Erörterung. Eine : liber das Enteignungsrecht vgl. A. Thiel, 
eingehende Erörterung der grundsätzlichen Frage Das Expropriationerecht und das Expropriations 
und der daraus sich ergebenden Einzelpunkte gibt verfahren nach dem neuesten Standpunkte der 
Stier-Somlo, Die Pflicht des Eigentümers zur Wissenschaft und der Praxis dargestellt Berlin. 
Erhaltung seines Eigentums in polizeigemäßem 1866); G. Meyer, Das Recht der Expro- 
Zustande, Berlin 1898 (Sonderabdruck aus dem priation (Leipzig, 1868,"„: C. S. Grünhut, 
Verwaltungs-Archiv von Schulvenstein und Das Enteignungsrecht (Wien, 1873): W. 
Keil): für das preuß. Landrecht s. 1, 8, §5.33, daan v. Rohland, Zur Theorie und Praxis des 
Stier-Somlo, S. 50, für das B. G. B. den deutschen Enteignungerechtes (Leipzig, 1875); 
als einen Rückschritt zu bezeichnenden §. 903, Artikel „Expropriation“ von Bopp) in Weiskes 
ebda., S. 51. Durchaus richtig führt Stier= Rechtelerikon, Bd. IV, S. 136 ff.; den Arrikel 
Somlo aus, daß das Eigentum begrifflich als „Expropriation“ (von Mi#termair) in v. Rotteck 
eine durch die Interessen der Gesamtheit. Welcker, Staatslexikon, 3. Aufl., Bd. V. S. 
beschränkte Sachherrschaft sich darstellt; zur 199 ff., und den Artikel „Expropriationsgesen 
Theorie u. Praxis d. preuß. Rechtes s. bes. S. 64, gebung, insbesondere die preußische“ (von Lettet, 
N. 97 u. 65—71 über die einschlägige Recht= ebendas., S. 206 ff.; den Artikel „Expropriation“ 
sprechung des O. V. G. Auch im Hinblick auf (von Buddäus) in Ersch u. Grubers Enzyklo- 
B. G. B., §. 544, der Aufhebung des Mietverhält= pädie, Sekt. 1, Teil XXXIX, S. 396; Treichler, 
nisses ohne Kündigungefrist in gefahrdrohenden Über zwangsweise Abtretung von Eigentum und 
Wohnungen gestattet, wurde die Frage neuerdings anderen Rechten (in der Zeitschr. für D. Recht, 
crörtert. Mit Recht weist Schultzenstein in d. Bd. XII (1848), S. 123—166); Häberlin, 
Jurist. J. IV, S.431 darauf hin, daß der angeführte Die Lehre von der Zwangsenteignung oder Expro- 
§. 044 für Preusten, wenn auch privatrechtliche, priation, histor.-dogmat. erörtert (im Archiv für die 
so doch keinerlei öffentlichrechtliche Bedeutung habe, zivil. Praxis, Bd. XXXIX, S. 1 ff., S. 147 fl.); 
da A. L. R., II, 17, §. 10, der in der ganzen Mon= V. v. Stein, Verwaltungslehre, Bd. VII (Stuttg., 
archie gilt, hier die polizeiliche Frage in sehr viel 1868):; H. Schulze, Pr. St. R., Br II. S. 587; 
umfassenderer und zweifelsfreierer Weise erledigt G. Meyer-A uschütg, Lehrb. (6), S S. 711,2 Verw. 
habe; s. auch die dort zit. Entsch. d. O. V. G., bes. R., 1, 230 ff., in Stengels Wörterb., yI. S. 350 fl.; 
XXI. 371, XXVIII, 401. vaband in Archiv für zivil. Praxis, III, S. 511 ff. 
1 Die Frage ist neuerdings lebhaft erörtert, die Weitere Literatur bei G. Meyer, Verw. R., I. S. 
Rechtsprechung des Reichogerichts ist schwankend. 20, N. 1: Eger, Komm. 1, S. VII ff. In den 
Die Ansicht des Tertes ist eingehend begründet Monographien auch Darlegung der hochinteressanten 
von Anschütz, Verw. Arch. V, S.1 ff., mit dem rechtehistorischen Entwicklung: das heutige Recht 
bes. G. Meyer-Anschün, Lehrb. (6). S. 813:ist das Ergebnis der großartigen Verkehrsennvick- 
Jellinek, Subjf. öffentl. Rechte. —J. 320; Rehm lung des 19. Jahrhunderts; der führende Staat 
in Stengels Worterb., Erg. Bd., S. 9F ff.:; Stier= in der Rechteentwicklung war Frankreich. 
Somlo a. a. O., S. 39, 61 übereinstimmen. Vgl. die Bemerkung des Justizministere in 
Dagegen Dernburg, Pand. S. 72; Regele der Sinung der l. Kammer v. 10. Sept. 1849, 
berger, Pand., S. 113: Mayer, Deutsches wobei derselbe zugleich auf die wichtigsten Gegen- 
Verwm. R., II. 315 ff., lebterer jedoch mit Ano stände hinwies, über welche ein solches Gesetz Be 
schluß der Polizeimaßregeln, die hier sedenfalle stimmungen zu treffen habe (Stenogr. Ber. der 
in erster Linie in Betracht kommen. I. Rammer 1849—.0, Bd. II, S. 670). 
 
	        
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