Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Freiheit und Sicherheit des Eigentums. (§S. 58.) 231 
eine Herabsetzung des Betrages erfolgt, so erhält der Unternehmer den gezahlten Mehr- 
betrag ohne Zinsen, den hinterlegten Mehrbetrag aber mit den davon in der Zwischen- 
zeit etwa aufgesammelten Hinterlegungszinsen: zurück (§§S. 36—38). 
8. Das Gesetz hat ferner in dem Titel vom Enteignungsverfahren noch folgende 
allgemeine Bestimmungen: 
a) Alle Vorladungen und Zustellungen im Enteignungsverfahren sind nur gültig, 
wenn sie nach den für gerichtliche Behändigungen gemäß Z. P. O., §. 166 ff. bestehen- 
den Vorschriften erfolgt sind; die zivilprozessualischen Vorschriften, die im übrigen für 
das Verfahren vor den Bezirksausschüssen keine Geltung haben, sind also hier ausdrück- 
lich für maßgebend erklärt. Die vereideten Verwaltungsbeamten haben dabei den Glauben 
der zur Zustellung gerichtlicher Verfügungen bestellten Beamten (§F. 39).7 
b) Verwaltungsbehörden und Gerichte haben die Beweisfrage unter Berücksichtigung 
aller Umstände nach freier Uberzeugung zu beurteilen (§. 40)0.4 
c) Wo das Enteignungsgesetz die Anordnung einer Kaution vorschreibt oder zuläßt, 
ist gleichwohl der Fiskus von der Kautionsleistung frei (§. 41).“ 
4) Wenn der Unternehmer von dem ihm verliehenen Enteignungsrechte binnen der 
in dem Euteignungsbeschlusse (§. 21) bestimmten Zeit, keinen Gebrauch macht, oder von 
dem Unternehmen zurücktritt, bevor die Festsetzung der Entschädigung durch Beschluß des 
Bezirksausschusses erfolgt ist, so erlischt jenes Recht, insoweit es auf dem Planfeststellungs- 
beschluß nach §. 21 beruht; die landesherrliche Verordnung (§. 2) wird jedoch davon 
nicht berührt.? Der Unternehmer haftet in diesem Falle den Entschädigungsberechtigten 
im Rechtswege für die Nachteile, welche ihnen durch das Enteignungsverfahren er- 
wachsen sind. Tritt der Unternehmer zurück, nachdem bereits die Feststellung der Ent- 
schädigung erfolgt ist, so hat der Eigentümer die Wahl, ob er lediglich Ersatz für die 
Nachteile, welche ihm durch das Enteignungsverfahren erwachsen sind, oder Zahlung der 
festgestellten Entschädigung gegen Abtretung des Grundstücks, geeignetenfalls nach vor- 
gängiger Durchführung des in §. 30 gedachten Prozeßverfahrens im Rechtswege, bean- 
spruchen will (§. 42). Dem Gerichte sind hierüber die erforderlichen amtlichen Mit- 
teilungen zu machen. 
e) Die Kosten des administrativen Verfahrens — sowohl über die Enteignung, 
als über die Entschädigung — trägt der Unternehmer; ebenso die des prozessualischen 
in erster Instanz, wenn er selbst auf gerichtliche Entscheidung angetragen hat. Im 
übrigen gelten hinsichtlich der gerichtlichen Kosten die gewöhnlichen prozessualischen Grund- 
sätze. Für Enteignungssachen ist indes eine ausgedehnte Stempel= und Gebührenfreiheit 
bewilligt worden (§F. 43 in Verbindung mit §. 30).7 
  
1 Verordnung v. 21. Mai 1879 (G. S. 383): 
2½ Prozent, Eger, II, S. 397. 
2 Eger, II, S. 386—437, besonders auch über 
die zahlreichen Streitfragen, die sich aus der ge- 
setzlichen Verzinsungepflicht ergeben. Gierke:, 
Deutsches Privatrecht II, S. 504, N. 188. 
* Auf die über die Langsamkeit des preuß. 
Enteignungeverfahrens erhobenen Klagen hat die 
Regierung seit Jahren gesucht, „durch geeignete 
Anordnungen im Verwaltungswege eine Be- 
schleunigung des Verfahrens herbeizuführen“. Ein 
am 11. März 1904 im Abg. H. gestellter Antrag 
Dr. Eckels, behufs Beschleunigung das G. v. 
1874 abzuändern, ist am 5. Nov. 1904 der Justiz- 
kommission überwiesen worden (Drucks. des Abg. 
H., 20. Legislaturperiode, 1. Sess. 1904, Nr. 
129. — Verhandlungen S. 7114— 7119, 98. 
Sitzung". Der Vorschlag geht dahin, eine Be- 
stimmung aufzunehmen, daß der Bezirksausschuß 
nach beschrittener Nechtskraft des Planfeststellungs- 
beschlusses in dringenden Fällen aus Gründen 
des öffentlichen Wohles die Inangriffnahme des 
für das Unternehmen in Anspruch genommenen 
  
Grundbesitzes gegen vorgängige, vorläufig festzu- 
setzende Entschädigung gestatten kann, wenn der 
Unternehmer wegen der weitergehenden Ansprüche 
des Eigentümers eine vom Bezirksausschuß zu 
bestimmende Sicherheit leistet. Eger hält diesen 
Vorschlag mit Recht nicht für zweckentsprechend, 
verspricht sich nur von einer möglichst weitgehenden 
Zusammenlegung der Abschnitte des Verfahrens 
Erfolg. Deutsche Juristenzeitung 1905, S. 142. 
4 Eger, Bod. II, S. 437 ff., besonders S. 439 
über die Ausschließlichkeit dieser Vorschrift. 
* Eger, Bd. II, S. 440 ff., vgl. jetzt die 
allgemeinen Vorschriften gleichen Inhalts Z. P. O. 
§. 286; L. V. G., §§. 79, 120. 
6#„Fiskus“ ist der preußische Staatsfiskus in 
allen seinen Stationen, ebenso aber der dem 
Landesfiskus grundsätzlich gleichstehende Reichs- 
fiokus, anderer Ansicht Eger, Bd. II, S. 449. 
*7 S. Eger, Bd. II, S. 451 f. 
8 Eger, Bd. II, S. 449— 464. Gierke II, 
S. 498 N. 161. 
* Agl. dazu die näheren Angaben bei v. 
Brauchitsch, Bd. IV. S. 413, N. 121—123:
	        
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