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Beschränkungen des Grundeigentums in der Umgebung von Festungen, sondern diese sind
durch das Reichsgesetz v. 31. Dez. 18711 geregelt.
Die Anlegung oder Erweiterung von Festungen kann es nicht allein notwendig
machen, Grundeigentümern ihre Grundstücke seitens des Staates abzukaufen, um darauf
Festungswerke zu errichten, sondern auch Grundeigentümer, welche im Besitze ihrer Grund-
stücke belassen werden können, in bezug auf deren Benutzung erheblichen Einschränkungen
zu unterwerfen. Daher haben die Gesetzgebungen der eine militärische Machtstellung
einnehmenden Staaten ziemlich gleichmäßig diejenigen Verpflichtungen der Einzelnen gegen-
über der Gesamtheit festgestellt, welche aus diesen Beschränkungen des Grundeigentums
hervorgehen. Nicht eben so gleichmäßig aber ist die Gesetzgebung in bezug auf eine Ent-
schädigung für diese Beschränkungen in der Benutzung des Grundeigentums verfahren.
Für den Preußischen Staat hatte das Regulativ v. 10. Sept. 1828 über das Verfahren
bei baulichen Anlagen oder sonstigen Veränderungen der Erdoberfläche innerhalb der nächsten
Umgebung der Festungen? die Anordnungen über die im Interesse der Verteidigungs-
fähigkeit der Festungen für erforderlich erachteten Beschränkungen des Grundeigentums
getroffen, und dieses Regulativ war, auf Grund des Art. 61 der Verfassung des Nord-
deutschen Bundes, durch die Verordnung des Bundespräsidiums v. 7. Nov. 18677 für
das ganze Gebiet des Norddeutschen Bundes in Kraft gesetzt worden. Die Frage der
Entschädigung der Grundeigentümer, welche durch das Regulativ v. 10. Sept. 1828
nicht entschieden wird, war aber schon vor der Ausdehnung des letzteren auf das gesamte
Gebiet des Norddeutschen Bundes streitig geworden, und von dem Bundeskanzleramte
wurde auch anerkannt, daß der Gegenstand in das Gebiet der Bundesgesetzgebung gehöre
und der anderweitigen gesetzlichen Regelung bedürfe.“ Von dem Reichstage des Nord-
deutschen Bundes wurde infolgedessen beschlossen, „den Bundeskanzler zu ersuchen, dem
Reichstage einen Gesetzentwurf vorzulegen, wodurch die Grundsätze der Entschädigung für
diejenigen Beschränkungen des Privateigentums festgestellt werden, welche in den Festungs-
rayonbestimmungen ihren Grund haben.“? Durch das Reichsgesetz v. 21. Dez. 1871,
betreffend die Beschränkungen des Grundeigentums in der Umgebung von Festungen, ist
Freiheit und Sicherheit des Eigentums.
1 R. G. Bl. 1871, S. 459 ff. Vgl. dazu La-
band, St. R., Bd. IV, S. 313 ff.; Löning,
Verw. R., S. 468; G. Meyer, Verw. R., Bd. II,
S. 167 ff.; Zorn, St. R., Bd. II, S. 668 ff.;
Seydel in Hirths Annalen 1874, S. 1066 ff.;
O. Mayer, Verw. R., Bd. II, S. 185. Gierke,
D. Priv. R. II (1905), S. 408, 466 N. 1.
2 G. S. 1828, S. 120 ff.
2 B. G. Bl. 1867, S. 125.
4 Vgl. die Erklärung des Präsidenten des Bun-
deskanzleramtes in der Sitzung des Reichstags
v. 18. März 1869 (Stenogr. Ber. des Reichstags
1869, S. 151). —
5 Dieser Beschluß wurde auf den Antrag des
Reichstagsabgeordneten Kratz (Stenogr. Ber. des
Nordd. Reichstags 1869, Bd. III, Aktenst. Nr. 34,
S. 167) in der Sitzung v. 18. März 1869 (a. a. O.,
Bd. lI, S. 150—153) gefaßt. Da die Vorlegung
eines solchen Gesetzentwurfes nicht alsbald er-
folgte, so brachte der Reichstagsabgeordnete Kratz
noch in derselben Sitzungsperiode einen solchen
ein (Stenogr. Ber. des Reichstags 1869, Aktenst.
Nr. 112, S. 409). Die zur Vorberatung einge-
setzte Kommission beantragte indes in ihrem Be-
richt (a. a. O., Aktenst. Nr. 212, S. 682), statt
der Annahme des Gesetzentwurfs, zu beschließen,
„den Bundeskanzler zu ersuchen, dem Neichstage
in der nächsten Session eine Gesetzesvorlage zu
machen, in welcher a) für alle durch die Festungs-
rayonvorschriften eintretenden Beschränkungen des
Privateigentums Entschadigung aus der Bundes-
kasse gewährt wird, b) diese Entschädigungspflicht
des Bundes auf alle derartigen seit dem 1. April
1869 neu eingetretenen Beschränkungen zurücck-
bezogen wird, und c) für die endgültige Feststel-
lung der Höhe der Entschädigung der Rechts-
weg zugelassen wird"“. In der Kommission war
von den Bundeskommissarien die Vorlage eines
die Frage regelnden Gesetzentwurfs für die nächste
Reichstagesession in Aussicht gestellt worden, und
infolgedessen beschloß der Reichstag in der Sitzung
v. 2. Juni 1869 die Annahme des Antrages der
Kommission (Stenogr. Ber. a. a. O., S. 1238
—42). Von dem Bundeskanzler wurde auch der
betreffende Gesetzentwurf unterm 16. Mai 1870
(Stenogr. Ber. des Norddeutschen Reichstags 1870,
I. Session, Bd. IV, Aktenst. Nr. 173, S. 705)
vorgelegt, gelangte jedoch wegen Schlusses der
Session nicht zur Beratung, worauf die Wieder-
vorlegung des Gesetzentwurfes in der nächsten
Session erfolgte; vgl. den Gesetzentwurf nebst
Motiven in den Stenogr. Ber. des Reichstags
1871, II. Session, Bd. 1I, Aktenst. Nr. 16, S. 28 ff.,
den Kommissionebericht v. 18. Nov. 1871 a. a. O.,
Aktenst. Nr. 93, S. 219 ff., und die Plenarver-
handlung in den Sitzungen v. 27. Okt. 1871 u.
24. u. 27. Nov. 1871, welche zur Annahme des
Gesetzentwurfs nach den Vorschlägen der Kom-
mission führten, in den Stenogr. Ber. a. a. O.,
Bd. II. S. 59 ff., S. 489 ff. und S. 547 ff.
* R. G. Bl. 1871, S. 459. — Das G. v.
21. Dez. 1871 ist mit Kommentar und mit der