Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

G. 58.) 237 
Beschränkungen des Grundeigentums in der Umgebung von Festungen, sondern diese sind 
durch das Reichsgesetz v. 31. Dez. 18711 geregelt. 
Die Anlegung oder Erweiterung von Festungen kann es nicht allein notwendig 
machen, Grundeigentümern ihre Grundstücke seitens des Staates abzukaufen, um darauf 
Festungswerke zu errichten, sondern auch Grundeigentümer, welche im Besitze ihrer Grund- 
stücke belassen werden können, in bezug auf deren Benutzung erheblichen Einschränkungen 
zu unterwerfen. Daher haben die Gesetzgebungen der eine militärische Machtstellung 
einnehmenden Staaten ziemlich gleichmäßig diejenigen Verpflichtungen der Einzelnen gegen- 
über der Gesamtheit festgestellt, welche aus diesen Beschränkungen des Grundeigentums 
hervorgehen. Nicht eben so gleichmäßig aber ist die Gesetzgebung in bezug auf eine Ent- 
schädigung für diese Beschränkungen in der Benutzung des Grundeigentums verfahren. 
Für den Preußischen Staat hatte das Regulativ v. 10. Sept. 1828 über das Verfahren 
bei baulichen Anlagen oder sonstigen Veränderungen der Erdoberfläche innerhalb der nächsten 
Umgebung der Festungen? die Anordnungen über die im Interesse der Verteidigungs- 
fähigkeit der Festungen für erforderlich erachteten Beschränkungen des Grundeigentums 
getroffen, und dieses Regulativ war, auf Grund des Art. 61 der Verfassung des Nord- 
deutschen Bundes, durch die Verordnung des Bundespräsidiums v. 7. Nov. 18677 für 
das ganze Gebiet des Norddeutschen Bundes in Kraft gesetzt worden. Die Frage der 
Entschädigung der Grundeigentümer, welche durch das Regulativ v. 10. Sept. 1828 
nicht entschieden wird, war aber schon vor der Ausdehnung des letzteren auf das gesamte 
Gebiet des Norddeutschen Bundes streitig geworden, und von dem Bundeskanzleramte 
wurde auch anerkannt, daß der Gegenstand in das Gebiet der Bundesgesetzgebung gehöre 
und der anderweitigen gesetzlichen Regelung bedürfe.“ Von dem Reichstage des Nord- 
deutschen Bundes wurde infolgedessen beschlossen, „den Bundeskanzler zu ersuchen, dem 
Reichstage einen Gesetzentwurf vorzulegen, wodurch die Grundsätze der Entschädigung für 
diejenigen Beschränkungen des Privateigentums festgestellt werden, welche in den Festungs- 
rayonbestimmungen ihren Grund haben.“? Durch das Reichsgesetz v. 21. Dez. 1871, 
betreffend die Beschränkungen des Grundeigentums in der Umgebung von Festungen, ist 
Freiheit und Sicherheit des Eigentums. 
  
1 R. G. Bl. 1871, S. 459 ff. Vgl. dazu La- 
band, St. R., Bd. IV, S. 313 ff.; Löning, 
Verw. R., S. 468; G. Meyer, Verw. R., Bd. II, 
S. 167 ff.; Zorn, St. R., Bd. II, S. 668 ff.; 
Seydel in Hirths Annalen 1874, S. 1066 ff.; 
O. Mayer, Verw. R., Bd. II, S. 185. Gierke, 
D. Priv. R. II (1905), S. 408, 466 N. 1. 
2 G. S. 1828, S. 120 ff. 
2 B. G. Bl. 1867, S. 125. 
4 Vgl. die Erklärung des Präsidenten des Bun- 
deskanzleramtes in der Sitzung des Reichstags 
v. 18. März 1869 (Stenogr. Ber. des Reichstags 
1869, S. 151). — 
5 Dieser Beschluß wurde auf den Antrag des 
Reichstagsabgeordneten Kratz (Stenogr. Ber. des 
Nordd. Reichstags 1869, Bd. III, Aktenst. Nr. 34, 
S. 167) in der Sitzung v. 18. März 1869 (a. a. O., 
Bd. lI, S. 150—153) gefaßt. Da die Vorlegung 
eines solchen Gesetzentwurfes nicht alsbald er- 
folgte, so brachte der Reichstagsabgeordnete Kratz 
noch in derselben Sitzungsperiode einen solchen 
ein (Stenogr. Ber. des Reichstags 1869, Aktenst. 
Nr. 112, S. 409). Die zur Vorberatung einge- 
setzte Kommission beantragte indes in ihrem Be- 
richt (a. a. O., Aktenst. Nr. 212, S. 682), statt 
der Annahme des Gesetzentwurfs, zu beschließen, 
„den Bundeskanzler zu ersuchen, dem Neichstage 
in der nächsten Session eine Gesetzesvorlage zu 
machen, in welcher a) für alle durch die Festungs- 
rayonvorschriften eintretenden Beschränkungen des 
Privateigentums Entschadigung aus der Bundes- 
  
kasse gewährt wird, b) diese Entschädigungspflicht 
des Bundes auf alle derartigen seit dem 1. April 
1869 neu eingetretenen Beschränkungen zurücck- 
bezogen wird, und c) für die endgültige Feststel- 
lung der Höhe der Entschädigung der Rechts- 
weg zugelassen wird"“. In der Kommission war 
von den Bundeskommissarien die Vorlage eines 
die Frage regelnden Gesetzentwurfs für die nächste 
Reichstagesession in Aussicht gestellt worden, und 
infolgedessen beschloß der Reichstag in der Sitzung 
v. 2. Juni 1869 die Annahme des Antrages der 
Kommission (Stenogr. Ber. a. a. O., S. 1238 
—42). Von dem Bundeskanzler wurde auch der 
betreffende Gesetzentwurf unterm 16. Mai 1870 
(Stenogr. Ber. des Norddeutschen Reichstags 1870, 
I. Session, Bd. IV, Aktenst. Nr. 173, S. 705) 
vorgelegt, gelangte jedoch wegen Schlusses der 
Session nicht zur Beratung, worauf die Wieder- 
vorlegung des Gesetzentwurfes in der nächsten 
Session erfolgte; vgl. den Gesetzentwurf nebst 
Motiven in den Stenogr. Ber. des Reichstags 
1871, II. Session, Bd. 1I, Aktenst. Nr. 16, S. 28 ff., 
den Kommissionebericht v. 18. Nov. 1871 a. a. O., 
Aktenst. Nr. 93, S. 219 ff., und die Plenarver- 
handlung in den Sitzungen v. 27. Okt. 1871 u. 
24. u. 27. Nov. 1871, welche zur Annahme des 
Gesetzentwurfs nach den Vorschlägen der Kom- 
mission führten, in den Stenogr. Ber. a. a. O., 
Bd. II. S. 59 ff., S. 489 ff. und S. 547 ff. 
* R. G. Bl. 1871, S. 459. — Das G. v. 
21. Dez. 1871 ist mit Kommentar und mit der
	        
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