Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

BVersammlungs- und Vereinsrecht. 295 
(S. 60.) 
von selbständigen Rechtssubjekten erlangen. Diese Vorschriften als dem bürgerlichen 
Rechte angehörig scheiden hier allerdings grundsätzlich aus der Darstellung aus.! Zu 
betonen ist jedoch: daß das nunmehr in Preußen geltende Vereinsrecht sich nicht etwa 
derart gliedert, daß für Vereine des Privatrechtes das B. G. B. bezw. die privatrecht- 
liche Spezialgesetzgebung, für Vereine des öffentlichen Rechtes, insbesondere politische 
Vereine, das öffentliche Recht, speziell das Vereinsgesetz gilt. Die Scheidung ist viel- 
mehr die, daß für alle Vereine, auch die öffentlich-rechtlichen und politischen, die Vor- 
schriften des B. G. B. gelten, insoweit es sich um Erlangung der bürgerlichen Rechts- 
fähigkeit und deren rechtliche Wirkungen handelt; daß aber andererseits alle Vereine, 
insoweit der Vereinszweck auf öffentliche Angelegenheiten gerichtet ist (§. 2) oder sie 
politische Vereine (§. 8) find, den vereinspolizeilichen Bestimmungen des Vereinsgesetzes 
unterliegen.? 
Im Anschlusse an die Bestimmungen der Verfassungsurkunde über das Vereinigungs- 
recht spricht Art. 31 aus, „daß die Bedingungen, unter welchen Korporationsrechte er- 
teilt oder verweigert werden, durch das Gesetz bestimmt werden“. Damit hat die Ver- 
fassungsurkunde zweierlei beabsichtigt: 1. auszudrücken, daß Gesellschaften, welche sich 
gebildet haben, nicht ohne weiteres Korporationsrechte in Anspruch nehmen können?, sondern 
daß hierzu noch ein Akt der Korporationserteilung hinzutreten muß, und 2. zu bestimmen, 
daß durch ein zu erlassendes Gesetz allgemeine Vorschriften über die Erteilung oder Ver- 
weigerung von Korporationsrechten gegeben werden sollen, zu dem Zwecke nämlich, um 
die ausführende Gewalt (Art. 45 der Verfassungsurkunde) bei der Entscheidung über die 
Verleihung und insbesondere über die Korporationsrechte in bestimmte Grenzen einzu- 
schließen.“ Das im Art. 31 verheißene Gesetz ist indes als preußisches nicht ergangen 
und es kamen daher (nach dem Grundsatze des Art. 109 der Verfassungsurkunde) die 
bisherigen gesetzlichen Vorschriften über den Gegenstand zur Anwendung.? Nur in einer 
Beziehung hatte die preußische Verfassung eine besondere Ausnahme von dem Grundsatz 
des Art. 31 gemacht. Was nämlich die Religionsgesellschaften, sowie die geist- 
lichen Gesellschaften betrifft, welche zur Zeit des Erlasses der Verfassungsurkunde noch 
keine Korporationsrechte besaßen, so bestimmte der Art. 13 der Verfassungsurkunde aus- 
drücklich, daß sie diese Rechte nur durch besondere Gesetze erlangen können. Es ergibt 
sich hieraus, a) daß neugebildete Gesellschaften der erwähnten Gattungen nur durch ein 
förmliches Gesetz (Art. 62 der Verfassungsurkunde) korporative Rechte erhalten können", 
und b) daß hierin auch durch das Gesetz nichts geändert werden kann, sondern daß dies 
Gesetz, welches lediglich die Bedingungen festzustellen hat, unter welchen Korporations-= 
  
1 S. G. Meyer-Anschütz, S. 841, sowie 
die Werke über bürgerliches Recht von Cosack, 
Bded. I. S. 92 ff.; Endemann, 8. Aufl., Bd. I, 
S. 171 ff.; Crome, Bd. I, S. 232 ff.; Dern- 
burg (1902) Das bürg. R. d. D. R. u. Preußens, 
Bd. I. S. 199; hier auch Angaben der Speziallit. 
: Vgl. bes. Endemann, 8. Aufl., Bd. I, 
S. 181 ff.; Crome, Bd. I., S. 226 ff. 
2 Dies wird von einigen Schriftstellern, so be- 
sonders von Gierke und Regelsberger, als 
„das gemeine deutsche Recht“ bis zum Erlaß des B. 
G. B. erklärt; s. dazu Cosack, Bd. I, S. 98. 
4 Der Justizminister bemerkte bei der Re- 
bision des Art. 31 ausdrücklich, daß diese beiden 
Gründe die Aufnahme desselben in die Verf. 
Urk. veranlaßt haben (Stenogr. Ber. der I. Kammer, 
1849—50. Bd. II, S. 775). Der Regierungs- 
entwurf der Verf. Urk. v. 20. Mai 1848 ent- 
hielt gar keine Bestimmung über diesen Gegen- 
stand, sondern der Art. 31 ist wörtlich aus dem 
Art. 15 des Entwurfs der Verf. Komm. der 
Nat. Vers. in den Art. 29 der Verf. Urk. v. 
5. Dez. 1848 und aus diesem unverändert in 
den Art. 31 der revidierten Verf. Urk. über- 
  
gegangen (vgl. v. Rönnes Bearbeitung der Verf. 
Urk., S. 72—77). Bei der Revision hatte die 
I. Kammer die gänzliche Streichung des Artikels 
beschlossen, indem es für unmöglich erachtet 
wurde, allgemein anwendbare Grundsätze für die 
Verleihung oder Verweigerung von Korporations= 
rechten zu finden und in einem Gesetze aufzu- 
stellen (ovgl. Stenogr. Ber. der I. Kammer, 1849 
—50, Bd. II, S. 774—777). Die II. Kammer 
trat indes diesem Beschlusse nicht bei, indem sie, 
im Einverständnisse mit dem Zentralausschusse 
der I. Kammer, annahm, daß, wenngleich die 
Erfüllung der im Art. 31 erteilten Zusicherung 
mit Schwierigkeiten verbunden sei, dies doch nicht 
berechtige, den Artikel zu beseitigen (Stenogr. Ber. 
der II. Kammer, Bd. II, S. 633). 
5 Vgl. Förster, Theorie und Praxis des 
preußischen Vereinsrechts, Bd. I, §. 284; Dern- 
burg, Lehrbuch des preußischen Privatrechts, 
Bd. I, S. 100, Note 2, und Erk. des Reichsober- 
handelsgerichts v. 13. April 1875 (Entsch., 
Bd. XVII, S. 80 ff.). 
* Vgl. oben S. 281, Note 2 a. E. und Ver- 
weisungen.
	        
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