Die Konsistorien. (8. 94.) 607
Den Konsistorien wurden namentlich überwiesen: 1. die Bestätigung der von Privat-
patronen und Gemeinden zu geistlichen Stellen berufenen Personen; auch durch die
neueste, auf §. 32, Nr. 2 der Kirchengemeinde= und Synodalordnung v. 10. Sept. 1873
beruhende Entwicklung des evangelischen Kirchenrechtes! ist hieran nichts geändert worden;
2. die Einführung der Geistlichen ins Amt; 3. die Bestätigung derjenigen von Privat-
patronen und Gemeinden ernannten weltlichen Kirchenbedienten, welche nicht für die Ver-
waltung des kirchlichen Vermögens angestellt sind, sofern eine solche Bestätigung erforderlich
ist; 4. die Aufsicht auf die amtliche und sittliche Führung der Geistlichen und der unter
3. erwähnten weltlichen Kirchenbedienten, sowie die damit verbundenen Disziplinarbefug-
nisse, wozu auch die Verfügung der Amtssuspension und der Antrag auf Remotion in
denjenigen Fällen zu rechnen ist, in welchen solche bisher nach §. 2, Nr. 9 der Kon-
sistorialinstruktion v. 23. Okt. 1817 den Regierungen zustand; die kirchliche Disziplinar-
gewalt hat inzwischen eine umfassende und grundsätzliche Neuregelung erfahren durch
das Disziplinargesetz v. 16. Juli 1886 (K. G. u. V. Bl., S. 81), dazu Novelle
v. 18. Jan. 1904 (K. G. u. V. Bl., S. 2); 5. die Aufrechthaltung der Kirchenzucht
innerhalb der durch die bestehenden Landesgesetze bestimmten Grenzen; auch die Frage der
Kirchenzucht hat sowohl staats= wie kirchengesetzlich eine Neuregelung gefunden, und zwar
in ersterer Beziehung durch das Gesetz v. 13. Mai 1873, in letzterer durch das Kirchen-
gesetz v. 30. Juli 1880 (K. G. u. V. Bl., S. 116), betreffend die Verletzung kirch-
licher Pflichten in bezug auf Taufe, Konfirmation und Tranung, dazu Instruktion v.
23. Aug. 1880 (K. G. u. V. Bl., S. 119); 6. die Erteilung der Dispensationen
in den bisher den Regierungen überlassenen Fällen (Konsistorialinstruktion v. 23. Okt.
1817, §. 2, Nr. 10), wobei jedoch den Konfistorien vorbehalten bleibt, diese Dispen-
sationsbefugnis, wo sich ein besonderes Bedürfnis dazu ergibt, den Superintendenten zu
delegieren; 7. die Ziffer 4 der Verordnung v. 27. Juni 1845 bestimmt ferner, daß die
Erteilung des Urlaubs für Geistliche, soweit nicht die Superintendenten oder General-
superintendenten dazu nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften ermächtigt sind, durch
den Vorsitzenden des Konsistoriums erfolgt, und daß, wenn der Geistliche zugleich als
Schulinspektor angestellt ist, die Regierung hiervon in Kenntnis zu setzen ist, damit diese
auch ihrerseits wegen Bewilligung des Urlaubs in Beziehung auf das Schulamt das
Erforderliche verfüge.
Der auf Grund des §. 8 der Verordnung v. 27. Juni 1845 ergangene Zirkular-
erlaß der Ministerien der geistlichen Angelegenheiten, des Innern und der Finanzen v.
1. Okt. 18472 hat hiernächst nach Anleitung der betreffenden gesetzlichen Bestimmungen
der Dienstinstruktion für die Konsistorien v. 23. Okt. 1817, der Kabinettsorder v. 31. Dez.
1825 und der Verordnung v. 27. Juni 1845 die einzelnen Gegenstände, die zum Ressort
der Konsistorien gehören, aufgeführt; diese Aufzählung kann auch jetzt noch als die Rechts-
grundlage für die Amtstätigkeit der Konsistorien betrachtet werden; allerdings ist durch
die beiden großen Synodalordnungen, sowie durch die auf ihrer Grundlage ergangene
äußerst fruchtbare und hochinteressante Spezialgesetzgebung ein umfassender Ausbau des
evangelischen Kirchenrechtes in Preußen erfolgt, der durchaus beherrscht ist von dem
die Aufsicht des Ministers der geistl. Ang. oder des
Oberpräsidenten gestellt sind, gleich anderen Ver-
einen der Aufsicht der Ortsbehörden und der Re-
gierungen unterworfen. Auch bleibt die Regie-
rung die nächste zuständige Aufsichtsbehörde über
neu sich bildende Religionsgesellschaften (vgl. Reg.
Instr. v. 23. Okt. 1817, §. 17, Nr. 11, s. oben,
S. 537, Zirk. Reskr. der Min. der geistl. usw.
Ang., des Inn. und der Fin. v. 1. Nov. 1847,
suh IV. M. Bl. d. i. Verw. 1847, S. 282).
1 S. hierüber Kirchenges. v. 15. März 1886
(K. G. u. V. Bl., S. 39), ferner Kirchenges. v.
28. März 1892 („K. G. u. V. Bl., S. 115),
sowie das Dienstaltersges. v. 17. April 1886
(K. G. u. V. Bl., S. 59). Uber das landes-
herrliche Patronat, bezüglich dessen das gleiche
Prinzip gilt, s. oben, S. 527.
*„ M. Bl. d. i. Verw. 1847, S. 278 ff. —
Die durch die Verordnung v. 27. Juni 1845,
beziehungsweise den Zirk.-Erlaß v. 1. Nov. 1847
erteilten Ressortbestimmungen haben nur die wechsel-
seitige Abgrenzung des amtlichen Geschäftskreises
der Konsistorien und der Regierungen in evan-
gelischen Rirchenangelegenheiten zum Gegenstande;
in der Abflufung der Befugnisse anderer Behör-
den und Berechtigten in Beziehung auf diese
Gegenstände, insbesondere der Ministerien, der
Oberpräsidenten, der Generalsuperintendenten und
SuUverintendenten, ist dadurch nichts geändert
worden evgl. den allgemeinen Zirk.-Erlaß sub V).