Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

Staatshaushaltsetat und Kontrolle der Finanzverwaltung. (8. 118.) 113 
lediglich dem Ermessen der Staatsregierung anheimgegeben blieb, in welcher Art und 
Weise sie der ihr hiernach verfassungsmäßig obliegenden Verpflichtung Genüge leisten 
wolle. Als durch das Reichsgesetz v. 29. Febr. 18762 die Bestimmung getroffen 
worden war, daß das Etatsjahr für den Reichshaushalt mit dem 1. April beginne und 
mit dem 3 1. März jedes Jahres schließe, erachtete die Staatsregierung hierdurch die Not- 
wendigkeit für gegeben, auch für Preußen das Etatsjahr auf den Zeitraum vom 1. April 
bis 31. März jedes Jahres zu verlegen; es erging nunmehr das Gesetz v. 29. Juni 
1876 3, welches bestimmt hat, daß das Etatsjahr für den Staatshaushalt (vom 1. April 
1877 ab) mit dem 1. April beginnt und mit dem 31. März jedes Jahres schließt. 
Dadurch ist es seitdem zwar ermöglicht worden, bei rechtzeitiger Einberufung der 
Kammern den Staatshaushaltsetat vor dem Beginn der Periode, für welche er gelten 
soll, festzustellen; aber trotzdem ist es bei der Ausdehnung, welche die Beratungen über 
den Staatshaushalt sowohl in der Kommission als im Plenum angenommen haben, auch 
seitdem wiederholt vorgekommen, daß das Staatshaushaltsgesetz nicht rechtzeitig ver- 
abschiedet werden konnte, so daß durch Notgesetze vorläufige Abhilfe getroffen werden 
mußte. Es muß insbesondere hervorgehoben werden, daß bei diesem Stande der Dinge 
das schon durch die Verfassung selbst so wesentlich eingeschränkte Recht des Herren- 
hauses bei der Budgetberatung Gefahr läuft, immer mehr verkürzt und verkümmert zu 
werden, was auch schon wiederholt in scharfen Erklärungen des Herrenhauses betont 
worden ist. 
II. Die Rechte der preußischen Kammern und des Königs bezüglich der Feststellung 
des Staatshaushaltsetats sind durch die Verfassung des Deutschen Reiches insoweit ein- 
geschränkt worden, als nach dieser Verfassung ein bedeutender Teil der Einnahmen und 
Ausgaben des preußischen Staates auf das Reich übergegangen ist; über diesen kann 
demnach nicht mehr durch das preußische Staatshaushaltsetatsgesetz, sondern nur durch 
  
1 Als in der Sitz. des A. H. v. 16. Jan. 1860 der Ausweg beschritten, durch vor Beginn des 
(Stenogr. Ber. des A. H. 1868 —69, Bod. II, 
S. 1104) der Abg. Twesten wiederholt zur 
Sprache brachte, „daß der Staatsregierung die 
Pflicht obliege, entweder den Landtag früher zu 
berufen oder das Etatsjahr zu verlegen, damit 
der verfassungsmäßige Zustand eingehalten werde"“, 
bemerkte der Fin. Min. v. d. Heydt (a. a. O., 
S. 1105), „die Verf. Urk. setze keinen Termin fest, 
an welchem das Budget eingebracht werden müsse; 
es sei nur bestimmt, daß vor dem Beginne des 
Etatsjahres das Budget festgestellt werden solle, 
und daraus folge, daß die Regierung den Etat 
so zeitig vorlegen müsse, daß gegründete Aus- 
sicht vorhanden sei, den Etat vor Beginn des 
Etatsjahres zur Erledigung zu bringen. Eine 
Gewißheit, in welcher Zeit die Beratung be- 
endigt werden könne, könne man nicht haben; 
es komme nur darauf an, daß die Regierung 
der ehrlichen Meinung sei, der Etat könne in 
einer gewissen Zeit beraten werden. Reiche dann 
dennoch diese Zeit nicht aus, so könne der Regie- 
rung nicht zum Vorwurfe gemacht werden, un- 
gesetzlich gehandelt zu haben“. Ferner erklärte 
er (a. a. O., S. 1107), „daß die Verlegung des 
Etatsjahres bei nochmaliger Erwägung dieser 
Frage von seiten der Staatsregierung als un- 
tunlich sich ergeben habe, daß jedoch die Regie- 
rung, soviel an ihr liege, immer Sorge tragen 
werde, den Etat möglichst frühzeitig vorzulegen, 
und daß es dann erreichbar sein werde, die Budget- 
beratung rechtzeitig zu Ende zu bringen“. 
Do für die Jahre 1875 bzw. 1876 der Staats- 
haushaltsetat wiederum nicht vor dem Beginn 
des neuen Etatsjahres zustande kam, wurde 
v. Rönne-zgorn, Preuß. Staatsrecht. 
  
5. Aufl. III. 
betr. Jahres erlassene Gesetze die Staatsregierung 
unter Vorbehalt der verfassungsmäßigen Fest- 
stellung des Staatshaushaltsetats für das bevor- 
stehende Jahr zu ermächtigen, die im Staats- 
haushaltsetat des Vorjahres vorgesehenen dauern- 
den Staatsausgaben in den Grenzen der bei den 
einzelnen Kapiteln und Titeln bewilligten Sum- 
men, sowie einige andere besonders bezeichnete 
Ausgaben aus den Einnahmen des bevorstehenden 
Jahres fortleisten zu lassen. (Ges. v. 4. Juni 
1874, G. S. 1874, S. 240, und v. 30. Juni 
1875, G. S. 1875, S. 371.) 
2 R. G. Bl. 1876, S. 121. 
3 G. S. 1876, S. 177, und Entwurf des Ge- 
setzes nebst Begründung in den Stenogr. Ber. des 
A. H. 1876, Anl. Bd. II, Aktenst. Nr. 164, 
S. 1161 ff., Ber. der Budgetkomm, darüber vom 
13. Mai 1876, ebenda Anl. Bd. III, Aktenst. 
Nr. 240, S. 1508 ff., die Plenarverhandl. in den 
Sitz. des A. H. v. 6., 22. u. 24. Mai 1876 (Stenogr. 
Ber. des A. H. 1866, Bd. II, S. 1243—1248, u. 
Bd. III, S. 1622—1625 u. S. 1687—1688), 
desgl. die Verhandl. im H. H. in der Sitz. v. 
17. Juni 1876 (Stenogr. Ber. des H. H. 1876, 
Bd. I, S. 301—3029. 
Das Ges. v. 29. Juni 1876 bestimmt (§. 1, 
Abs. 2), daß, unter Abänderung aller entgegen- 
stehenden Bestimmungen, den kommunalen und 
allen sonstigen nicht staatlichen Verwaltungen 
überlassen bleibe, auch für ihren Haushalt das 
veränderte Etatsjahr anzunehmen und die bisher 
für die Aufstellung ihres Etats, sowie für die 
Rechnungslegung bestandenen Termine ent- 
sprechend abzuändern. 
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