Begriff und allgemeine Gruudsätze. (8. 109.) 3
zuändern; b) das Recht, für alle sonstigen Verhältnisse der Gesamtheit oder der ein—
zelnen diejenigen Regeln festzustellen, welche den Zweck haben, die Verwaltung des Staates
zu regeln, oder die Staats- und Rechtsordnung gegen Angriffe der einzelnen zu sichern,
oder die Staatsbürger im Genusse und in der Ausübung ihrer Privatrechte zu schützen
(einfache Gesetze).
Im Verhältnisse zu den bisherigen Rechtsnormen kann sich die Tätigkeit der Ge—
setzgebung in dreifacher Art äußern: a) durch Erlaß neuer Rechtsbestimmungen, b) durch
Aufhebung oder Abänderung bestehender Rechtsnormen, c) durch sog. authentische Inter-
pretation.
III. Die gesetzgebende Gewalt, als Ausfluß der höchsten Staatsgewalt, steht dem
Könige als dem Oberhaupt der ungeteilten : Staatsgewalt zu. Der König ist aber in
der Ausübung des Rechtes der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Mitwirkung der
Volksvertretung gebunden. Abgesehen hiervon ist jedoch der König in gewissen Fällen
berechtigt, Verordnungen mit Gesetzeskraft unter Vorbehalt der Genehmigung der
Volksvertretung zu erlassen. Verordnungen zur Ausführung der Gesetze gehen von
dem Könige allein aus. Hiernach mag man die Gesetze im weiteren Sinne einteilen
in: a) Verfassungsgesetze, b) einfache Gesetze (beides Gesetze im engeren Sinne, die
mit der Volksvertretung vereinbart werden), c) königliche Verordnungen mit Gesetzes-
kraft (Notverordnungen), d) sonstige königliche Verordnungen.
Die gesetzgebende Gewalt ist jedoch seit der Gründung des Deutschen Reiches, wie
in allen Einzelstaaten des Reiches, so auch im Staate Preußen keine unbeschränkte
mehr, sondern den durch die Reichsverfassung bedingten Einschränkungen unterworfen.
Die Reichsverfassung hat alle diejenigen Gegenstände, welche zur Zuständigkeit des Reiches
(R. V. Art. 4) gehören, der Gesetzgebung der Einzelstaaten entzogen. 3 Auf denjenigen
Gebieten, auf welchen dem Reiche verfassungsmäßig das Recht der Gesetzgebung
zusteht, muß sich daher die Gesetzgebung der Einzelstaaten grundsätzlich jeder Tätig-
keit enthalten; es ist in dieser Hinsicht der Landesgesetzgebung nur noch insoweit eine
Wirksamkeit gestattet, als die Reichsgesetzgebung dies ausdrücklich zuläßt oder auf die
Landesgesetzgebung Bezug nimmt oder von ihrer Zuständigkeit noch keinen Gebrauch ge-
macht hat. Jedes diese Grenze überschreitende Landesgesetz ist ungültig.
IV. Obgleich das Recht der Gesetzgebung allein der gesetzgebenden Gewalt im
Staate gebührt und niemand außer ihr dies Recht haben kann, wird dadurch doch keines-
wegs ausgeschlossen, daß einzelnen im Staate bestehenden und ihm untergeordneten Ge-
bilden, insbesondere den Kirchen und Gemeindeverbänden, eine mehr oder weniger aus-
gedehnte Autonomie zukomme *, welche in der Befugnis besteht, ihre eigenen Ver-
hältnisse selbständig durch Rechtsvorschriften zu ordnen.s Dieses Recht bedarf der
Anerkennung durch den Gesetzgeber und ist dem Oberaufsichtsrecht des Staates unter-
worfen. Autonome Anordnungen gelten nur insoweit, als sie nicht durch gebietende
oder verbietende Staatsgesetze behindert sind. Die Autonomie hat ihre Quelle wie
ihre Grenze im Recht des Staates. Die auf Grund der gewährten Autonomie er-
gangenen Rechtssätze werden in der Regel als Statuten, auch als Reglements bezeichnet.
1 Vgl. oben Bd. 1, §. 9; II, S. 154 ff.
Vgl. oben Bd. I, §. 12, S. 208.
Uber das Verhältnis von Reichs= und Landes-
gesetzgebung, dessen zahlreiche und wichtige Einzel-
fragen im Reichs-St. R. zu behandeln sind, s. bes.
Laband, II, S. 113 ff. und die dort angegebene
Literatur.
4Über die Autonomie der Gemeinden, Korpo-
rationen und einzelnen vgl. v. Gerber, Grund-
züge, S. 145, und in den Jahrb. f. d. Dogmatik
des Röm. und Deutschen Rechts, Bd. III, S. 447;
(G. Meyer-Anschütz, S. 552; Laband, II,
S. 11 ff.
5 Über die Autonomie des hohen Adels nach
ihrer rechtsgeschichtlichen Entwicklung sowie nach
geltendem Rechte, insbesondere auf Grund von
Einf. G. z. B. G. B., Art. 53, vgl. Bornhaks, 1,
S. 314 f. und die dort angemerkte Literatur.
6 Die sog. Autonomie, welche die rheinischen
und westfälischen ritterschaftlichen Geschlechter in
Hinsicht ihrer Dispositionen über ihren Nachlaß
in Gemäßheit der Kab. O. vom 16. Jan. 1836
(v. Kamptz' Jahrb., Bd. XLVII, S. 399) und
der Kab. O. vom 26. u. 28. Febr. 1837 (a. a. O.,
Bd. XILIX, S. 155—159) besaßen, war lediglich
ein gesetzliches Privilegium, welches die Testier-=
freiheit der in Rede stehenden Familien erweiterte.
Die solchergestalt gewährleisteten Verfügungen sind
Rechtsgeschäfte, keine Gesetze.
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