Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

162 Die Gesetzgebung. (8. 120.) 
2. Das der Volksvertretung in betreff neuer Steuern sowie der Erhöhung oder 
Abänderung bestehender Steuern zustehende Steuerbewilligungsrecht enthält die Be— 
fugnis, nicht bloß vor der Bewilligung den Nachweis zu verlangen, daß die verfassungs- 
mäßig zur Bestreitung der Staatsausgaben bestimmten primären Deckungsmittel, sowie 
die früher bewilligten Steuern, unzureichend seien, um den Staatsbedarf zu bestreiten, 
sondern auch zu verlangen, daß der Gegenstand der Besteuerung, die Höhe des 
aufzubringenden Steuerbetrages und seine Verteilung auf die steuerpflichtigen 
Personen und Gegenstände 1 mit ihr vereinbart werden. 
3. Das Bewilligungsrecht der Kammern bezieht sich nach Art. 100 der Verfassungs- 
urkunde auf alle Arten der Steuern, mithin auf direkte und indirekte Auflagen, 
ohne Unterschied des Gegenstandes der Besteuerung, und ohne Unterschied, ob die 
Steuer für einen bestimmten bzw. vorübergehenden Zweck, oder dauernd für Staatszwecke 
überhaupt entrichtet werden soll. Das Recht bezieht sich aber nicht allein auf Steuern 
im eigentlichen Sinne, sondern auch auf Abgaben, die nicht unter den Begriff wirk- 
licher Steuern fallen.? In betreff der Gebühren (Sporteln) ist dies in Art. 102 der 
Verfassungsurkunde noch besonders ausgesprochen worden. 
4. Dagegen bezieht sich das Bewilligungsrecht der Kammern nach Art. 100 der 
Verfassungsurkunde nur auf solche Steuern und Abgaben, welche für die Staats- 
kassen erhoben werden, mithin nicht auf Steuern und Abgaben, welche zu Zwecken 
der Gemeinden und Kreise im Staate bestimmt sind, ebensowenig auf solche, 
welche lediglich die Kommunalzwecke einer Provinz betreffen und zu deren Bestreitung 
erforderlich sind. 
III. Über die Ausübung des Besteuerungsrechtes enthält die Verfassungsurkunde 
(Art. 101) folgende Grundsätze: 
1. Bezüglich der Steuern können Bevorzugungen nicht eingeführt werden, also auch 
nicht durch Gesetz. 
2. Die bestehende Steuergesetzgebung soll einer Revision unterworfen und dabei 
jede Bevorzugung abgeschafft werden." 
Das Nähere siehe unten im Abschnitt über das Finanz= und Steuerrecht. 
§. 120. 
Anleihen und Garantien.“ 
Wenngleich dem Staate unzweifelhaft die Befugnis zusteht, zur Deckung dringender 
Staatsbedürfnisse sowie zur Förderung des allgemeinen Besten, insbesondere alsdann, 
  
1 Dies ist das Recht der Bestimmung des v. 23. April 1906. S. über die ganze Materie 
sog. Besteuerungsfußes, welches stets in dem Schön, Recht der Kommunal-Verbände, S. 262fff. 
Steuerbewilligungsrechte enthalten ist, nach den und die dort angegebene Literatur. 
Grundsätzen der Preuß. Verf. Urk. aber nur in 4 Die 1. K. hatte bei der Revision des Art. 101 
bezug auf neue Steuerbewilligungen oder Er= beschlossen, in denselben (in Abs. 2) die Worte 
höhung und Abänderung bestehender Steuern einzuschalten: „vorbehaltlich der Entschädigungs- 
ausgeübt werden kann. frage“, um der Auffassung vorzubeugen, als solle 
2 Auch dies bestimmt der Art. 100 ausdrück= jede Entschädigung ausgeschlossen sein. Die 2. K. 
lich. Es dürfen daher z. B. Wege-, Brücken= trat diesem Beschlusse indes nicht bei, weil die 
und Chausseegelder, sowie andere Kommunikations= Aufnahme des gedachten Zusatzes überflüssig sei 
abgaben, Konzessionsabgaben usw. nicht ohne Zu= und die Frage der Entschädigung nicht in die 
stimmung der Kammern neu eingeführt oder Verfassung gehöre, sondern in den Steuergesetzen 
erhöht werden, sofern nicht der Staatsregierung selbst ihre Erledigung finden müsse (Stenogr. 
durch besondere Gesetze das Recht eingeräumt Ber. der 1. K. 1849—50, S. 1175, 2036, und 
worden ist, die Tarife nach bestimmten gesetz= 2. K., S. 1703 u. 1738, vgl. v. Rönne, Verf. 
lich geregelten Normen festzustellen. Urk., S. 192—193). Über die Grundsätze, nach 
* Über die Befugnis der Gemeinden zur welchen die Frage zu beurteilen, vgl. Zachariä, 
Besteuerung ihrer Mitglieder enthält die gesetz= D. St. u. B. R., 3. Aufl., Bd. II, S. 537 ff. 
lichen Sonderbestimmungen das Kommunal-Ab= und die dort angef. Schriften. 
gabengesetz v. 14. Juli 1893, über das Besteue- 5* Vgl. Klüber, Offentl. R. des D. B., 8§. 339, 
rungsrecht der Kreise und Provinzen das Ges. 340, 401; Zachariä, D. St. u. B. R., 3. Aufl., 
 
	        
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