Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

Anleihen und Garantien. (8. 120.) 163 
wenn die hierzu erforderlichen Mittel ohne zu erhebliche Belastung der Steuerpflichtigen 
nicht durch die ordentlichen oder außerordentlichen Beiträge der letzteren beschafft werden 
können, Schulden zu kontrahieren und namentlich Geldanleihen aufzunehmen, so ist doch 
die Ausübung dieses Rechtes keineswegs ausschließlich in die Hände des Königs gelegt, 
sondern es findet dabei eine Teilnahme der Volksvertretung statt. Bereits vor Erlaß 
der Verfassungsurkunde hatte die Krone sich teilweise des Rechtes begeben, den Staat 
einseitig mit neuen Schulden zu belasten. Die Verfassungsurkunde hat (Art. 103) ganz 
allgemein und ohne Einschränkung bestimmt, daß „die Aufnahme von Anleihen für die 
Staatskasse nur auf Grund eines Gesetzes stattfindet“ und daß „dasselbe von der 
Ubernahme von Garantien zu Lasten des Staates gilt“. Hiernach kann kein Zweifel 
darüber bestehen, daß es zur Aufnahme von Staatsanleihen und zur Ubernahme von 
Staatsgarantien allemal eines Gesetzes im eigentlichen Sinne (Art. 62) bedarf.? Alle 
Staatsschulden und Staatsgarantien, welche kontrahiert bzw. übernommen werden sollten, 
ohne daß die Kammern dazu ihre Einwilligung bzw. Genehmigung erteilt haben, würden 
verfassungswidrig und dergestalt nichtig sein, daß daraus ein Anspruch an die Staats- 
kasse niemals hergeleitet werden könnte. Dies folgt daraus, daß der Art. 103 der Ver- 
fassungsurkunde die Form vorschreibt, unter deren Beobachtung allein eine Verbindlichkeit 
des Staates zur Verhaftung für Anleihen oder Garantien entstehen kann, nämlich die 
Form eines wirklichen Gesetzes. Wenn diese Form nicht beobachtet worden ist, ist 
das Geschäft für den Staat nichtig.5“ » 
Da Gesetze, welche die Aufnahme von Staatsanleihen bzw. die Ubernahme von 
Staatsgarantien betreffen, „Finanzgesetze“ sind, so ergibt sich aus dem Abs. 3 des 
Art. 62 der Verfassungsurkunde, daß jeder Gesetzentwurf dieser Art zuerst dem Ab- 
geordnetenhause zur Beschlußnahme vorgelegt werden muß und gar nicht an das Herren- 
haus gelangen kann, wenn das Abgeordnetenhaus ihn ablehnen sollte. 
Von der eigentlichen Staatsschuld im technischen Sinne, nämlich der sog. fun- 
  
Bd. II, S. 469 ff.; Grotefend, Das D. St. R. 
der Gegenwart, S. 244 ff.; v. Schulze, Pr. St. R., 
Bd. II, S. 80 ff.; G. Meyer-Dochow, Lehrb. 
des Verwaltungsrechts 4, 1913. 
1 Die frühere Gesetzgebung ist folgende: Mit- 
tels Verordn. v. 17. Jan. 1820 über das Staats- 
schuldenwesen (G. S. 1820, S. 9) wurde ein 
Staatsschuldenetat publiziert und für immer ge- 
schlossen erklärt, zugleich aber (§. II) bestimmt, 
daß, „wenn der Staat künftighin zu seiner Er- 
haltung oder zur Förderung des allgemeinen 
Besten in die Notwendigkeit kommen sollte, zur 
Aufnahme eines neuen Darlehns zu schreiten, 
solches nur mit Zuziehung und unter Mitgarantie 
der künftigen reichsständischen Versamm- 
lung geschehen könne“. Das Patent v. 3. Febr. 
1847 betreffend die ständischen Einrichtungen (G. 
S. 1847 S. 33), erklärte, „daß, so oft die Be- 
dürfnisse des Staates neue Anleihen erfordern 
möchten, die Provinzialstände der Monarchie zu 
einem vereinigten Landtage versammelt werden 
sollten, um dabei deren in der V. v. 17. Jan. 
1820 vorgesehene ständische Mitwirkung in An- 
spruch zu nehmen“. Die in dem Pat. in bezug 
genommene V. v. 3. Febr. 1847 über die Bildung 
des Verein. Landtags (a. a. O., S. 34) bestimmte 
hierüber ferner: a) dem Verein. Landt. ist die 
im §. II der V. v. 17. Jan. 1820 vorbehaltene 
ständische Mitwirkung bei Staatsanleihen über- 
tragen, und sollen demgemäß neue Darlehne, für 
welche das gesamte Vermögen und Eigentum des 
Staates zur Sicherheit bestellt wird, fortan nicht 
anders, als mit Zuziehung und unter Mitwirkung 
des Verein. Landtages ausgenommen werden (8.4); 
  
b) wenn neue Darlehne zur Deckung des Staats- 
bedürfnisses in Friedenszeiten bestimmt sind, 
so sollen solche ohne Zustimmung des Verein. 
Landtages nicht ausgenommen werden (§. 5); 
c) wenn im Falle eines zu erwartenden oder 
ausgebrochenen Krieges Darlehne aufgenommen 
werden müssen, die Einberufung des Verein. 
Landtages aber nichtzulässig befunden werden sollte, 
so wird die ständische Mitwirkung durch Zuziehung 
der Deputation für das Staatsschuldenwesen 
ersetzt (S. 6); die gedachte Deputation wird ge- 
bildet zur Ausübung der vorbehaltenen Mit- 
wirkung bei Aufnahme von Darlehen für Kriegs- 
zeiten, sowie zur ständischen Mitwirkung bei Ver- 
zinsung und Tilgung der Staatsschulden (§. 1 der 
V. v. 3. Febr. 1847 über Bild. der ständischen 
Deput., G. S. 1847, S. 43). Dem Verein. Land- 
tage wird späterhin Zweck und Verwendung des 
solchergestalt aufgenommenen Darlehns nachge- 
wiesen (§.7 der V. v. 3. Febr. 1847 über Bild. des 
Verein. Landtages). — Über die behauptete Nicht- 
übereinstimmung der betreffenden Gesetzgebung v. 
3. Febr. 1847 mit den früheren Zusicherungen. 
der V. v. 22. Mai 1815 und v. 17. Jan. 1820 
und über die auf die hierüber gefaßten Beschlüsse 
der Kurien des Verein. Landtages erlassene Königl. 
Botschaft v. 24. Juni 1847 vgl. Rauer, Ständ. 
Gesetzgebung der preuß. Staaten, neue Folge, 
Abt. 2, S. 184—187. 
2 Vgl. Baumstark in den Stenogr. Ber. der 
1. K. 1850—51, S. 1329 und Simson in den 
Stenogr. Ber. der 2. K. 1850—51, S. 705. 
A. L. R., I, 3, §. 41; I, 5, §. 109. 
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