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Staat und Kirche.
C. 121.)
Sechster Abschnitt.
Staat und Kirche.!
Bearbeitet von Professor Dr. Friedr. Giese in Posen, jetzt Frankfurt a. M.
§. 121.0
Vorbemerkungen.
I. Während der Bereich des Staates die äußeren Verhältnisse der Staats-
angehörigen, soweit sie unter den Begriff des Rechts fallen, umfaßt, ist die Aufgabe der
Kirche die Pflege der Religion.
Zweck und Wirksamkeit verschieden.
Die Kirche ist daher vom Staate nach Gegenstand,
Deshalb betrachtet die übereinstimmende Ordnung.
treten und bei allen öffentlichen Kassen nach
ihrem vollen Nennwerte angenommen werden
sollten. Das A. H., welchem jene Verordn. zur
nachträglichen Genehmigung und zugleich mit dem
Antrage auf Erteilung der Indemnität vorge-
legt wurde, versagte indes der Verordnung die
Genehmigung, erteilte jedoch zugleich einem Ge-
setzentw. seine Zustimmung, welcher (im §. 1)
der Staatsregierung in bezug auf den Erlaß der
gedachten Verordnung Indemnität bewilligte,
gleichzeitig aber die Schließung der gegründeten
Darlehnskassen und die Wiedereinziehung der aus-
gegebenen Darlehnskassenscheine anordnete. Dieser
Gesetzentw. hat, nach Genehmigung des H. H.,
auch die Sanktion der Krone erlangt und ist als
Ges. v. 27. Sept. 1866 (G. S. 1866, S. 584)
publiziert, zugleich aber durch die V. v. 27. Sept.
1866 (a. a. O., S. 583) die Notverord. v. 18. Mai
1866 wieder aufgehoben worden. Die Staats-
regierung hat bei Vorlegung der Notverordn. v.
18. Mai 1866 (in der motivierenden Denkschrift
in den Stenogr. Ber. des A. H. 1866—67, Anl.
Bd. 1, Nr. 17, S. 35) selbst zugegeben, daß sie
nach den Bestimmungen der Verf. Urk., und ins-
besondere des Art. 103, zu der durch die gedachte
Verordn. angeordneten Maßregel der Zustimmung
des Landtages bedurft haben würde, und hat eben
aus diesem Grunde außer der Genehmigung der
Verordn. auch noch die Erteilung einer Indem-
nität nachgesucht. Obgleich nun letztere ihr durch
das Ges. v. 27. Sept. 1866 gewährt worden ist,
so hat dennoch das A. H. (vgl. den Komm. Ber.
v. 13. Sept. 1866 in den Stenogr. Ber. 1866
—67, Anl. Bd. I, Nr. 56, S. 270 f.) die Ge-
nehmigung der Verordn. versagt (pvgl. die
Stenogr. Ber. über die Sitz. v. 18. u. 19. Sept.
1866, Bd. I, S. 398—442). Es ist nämlich
angenommen worden, daß die Verordn. auf Grund
des Art. 63 der Verf. Urk. gar nicht habe erlassen
werden dürfen, weil dieser den Erlaß einer Not-
verordn. verbietet, welche der Verfassung zu-
widerläuft, und weil die Staatsregierung selbst
anerkannt hat, daß ihre Maßregel nach den Be-
stimmungen der Verf. Urk., insbesondere des Art.
103, der Zustimmung des Landtages bedurft
hätte. Die V. v. 18. Mai 1866 war daher von
Anfang an nichtig, und die durch ihren Erlaß-
begangene Verfassungsverletzung ist erst durch die
in dem Ges. v. 27. Sept. 1866 ausgesprochene
Indemnität gesühnt worden. Daß aber die von
der Staatsregierung angeordnete Ausgabe von
Darlehnskassenscheinen ohne vorgängiges Gesetz
eine Verletzung des Art. 103 der Verf. Urk. ent-
hält, kann nicht bestritten werden. Allerdings
kann in Zweifel gezogen werden, ob die Ope-
ration der Darlehnskassen eine Anleihe war,
obwohl die Kassenanweisungen als „Lunver-
zinsliche Staatsschuld“ bezeichnet werden, und
daher angenommen werden kann, daß in gleicher
Weise die Ausgabe von Darlehnskassenscheinen.
eine Staatsschuld konstituiert. Will man aber
auch dieser Ansicht nicht beipflichten, so war es
doch mindestens eine Garantie, welche der Staat.
für die Darlehnskassenscheine übernahm. Denn
er gab dieselben aus und verpflichtete sich, sie bei.
seinen sämtlichen Kassen an Zahlungsstatt anzu-
nehmen. Daß aber mindestens die Darlehns-
kassen durch Ausgabe ihrer Scheine eine Schuld
kontrahierten, kann nicht bestritten werden, und
indem der Staat sich verpflichtete, diese Scheine
bei den Staatskassen an Zahlungsstatt anzu-
nehmen, übernahm er unzweifelhaft eine Garantie
für dieselben, was nur auf Grund eines Ge-
setzes geschehen durfte, nicht aber durch eine auf
Grund des Art. 63 erlassene Notverordnung.
1 Über das Verhältnis von Staat und Kirche:
Lange, Über die Neugestaltung des Verhält-
nisses zwischen Kirche und Staat, 1848; Herr-
mann, Uber die Stellung der Religionsgesell-
schaften im Staate, 1849; Zeller, Staat und-
Kirche, Vorlesungen, Berlin 1873; Martens,
Die Beziehungen zwischen Kirche und Staat,
1877; Sohm, Das Verhältnis von Staat und
Kirche, 1873; Geffcken, Staat und Kirche in
ihrem Verhältnisse geschichtlich entwickelt, 1875;
Meier, Die Rechtsbildung in Staat und Kirche,
1861; Thudichum, Deutsches Kirchenrecht des
19. Jahrhunderts, 2 Bde., 1877/78; Hinschius,
Staat und Kirche, in Marquardsens Handb. des
öffentl. Rechts, Bd. I, 1, 1883; Mejer, Zur Ge-
schichte der römisch-deutschen Frage; Mejer, Kir-
chenrecht, 1869, S. 212 ff.; Friedberg, Grenzen-