Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

Evangelische Kirche. (8. 127.) 189 
Es wurden daher sowohl die kirchlichen Zentralbehörden 1 als auch die kirchlichen Be- 
hörden in den Provinzen, die Konsistorien, aufgehoben; die Geschäfte der bisherigen 
Zentralbehörden wurden dem Departement des Innern und der bei diesem gebildeten be- 
sonderen Sektion für den Kultus und öffentlichen Unterricht übertragen, bei den an die 
Stelle der Kammern tretenden Regierungen wurden Deputationen für geistliche und 
Schulsachen errichtet. Von da ab vereinigte der Minister des Innern zwei verschie- 
dene und auf verschiedenen Grundlagen beruhende Rechte, nämlich das jus circa sacra 
des Staates und das der Kirche gehörige jus sacrorum 2, in seiner Person. Diese Be- 
fugnisse des Ministers des Innern in evangelischen Kirchensachen sind später durch die 
Kabinettsorder v. 3. Nov. 1817 3 auf einen besonderen Minister der geistlichen, Unter- 
richts= und Medizinalangelegenheiten übergegangen; allein diese Personalveränderung 
hat in der sachlichen Kompetenz nichts gegenüber dem Publikandum v. 16. Dez. 1808 
geändert; ebensowenig haben die sonstigen Ressortgesetze in evangelischen Kirchensachen die 
Stellung des Ministers der geistlichen Angelegenheiten prin zipiell verschoben. Durch 
die Verordnung v. 30. April 1815 wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden“ 
(§. 15) wurden indes die (Provinzial-) Konsistorien in der Weise wiederhergestellt, daß sie 
das gesamte Kirchen= und Schulwesen 5 beider Korfessionen leiten und in den Re- 
gierungsbezirken besondere Kirchen= und Schulkommissionen unter ihrer Leitung bestellt 
werden sollten. Von diesem Plane wurde jedoch in den den Konsistorien und Regie- 
rungen demnächst erteilten Dienstinstruktionen v. 23. Okt. 1817° insofern wieder ab- 
gewichen, als die Leitung des Kirchen= und Schulwesens zwischen den Konsistorien und 
den Regierungen geteilt und den ersteren die sog. interna des Kirchenwesens mit der 
Leitung der höheren Unterrichtsanstalten, den letzteren die sog. externa mit dem Ele- 
mentarschulwesen zugewiesen wurden. Durch die Kabinettsorder v. 31. Dez. 18257 
wurden (unter Uberweisung der jura circa sacra über die katholische Kirche an die 
Oberpräsidenten) die Konsistorien in zwei Abteilungen zerlegt, von denen die eine unter 
dem Namen Konsistorium die evangelisch-geistlichen Sachen, die andere unter dem 
Namen Provinzialschulkollegium die Unterrichtssachen der Provinz erhielt. So 
waren die eigentlichen Konsistorien rein evangelische Kirchenbehörden geworden. Sie lösten 
sich in der Folge von den Provinzialschulkollegien ganz ab. Die Konsistorialverfassung des 
Jahres 1817 hat sodann wesentlich unverändert fortbestanden.¾ Die am 27. Juni 
  
Ostpreußen und Lithauen schon 1804 die Auf- 
lösung des lutherischen Konsistoriums und die 
Uberweisung seiner Geschäfte an die Kriegs= und 
Domänenkammer (Regl. v. 21. Juni 1804, §. 5 
Nr. 6; Rabes Sammlung, Bd. VIII, S. 106; 
Jakobson, a. a. O., S. 204 f.). Die Organi- 
sation von 1808 umfaßt die ganze damalige Mon- 
archie und beide Konfessionen, die lutherische 
wie die reformierte. 
1 Die bis dahin bestehenden Zentralbehörden 
für die evangel. Landeskirche waren das reformierte 
Kirchendirektorium (errichtet am 10. Juli 1713), 
das französ.-reformierte Oberkonsistorium (errichtet 
am 26. Juli 1701) und das lutherische Ober- 
konsistorium (errichtet am 4. Okt. 1750). Jakob- 
son, Gesch. der Quellen des preuß. Kirchenrechts, 
Tl. I, Bd. II, S. 100 f., 111; Bassewitz-Rein- 
hard, Die Kurmark Br. 1809 u. 1810 (1860), 
S. 187 ff.; Schoen, Bd. I, S. 22—24, 68 ". 
Die Urkunde über die Fundation des reformierten 
Kirchendirektoriums und die Instruktion für das 
lutherische Oberkonsistorium s. in den amtl. Mit- 
teil. aus der Verw. d. geistl. u. Unterr. Ang., 
Jahrg. l, 1847, Heft 5, letztere auch bei Mylius, 
C. C. M. continuatio IV, 291. 
2 Publik. v. 16. Dez. 1808, §. 12: Die Abtei- 
lung für den Kultus erhält alle Rechte der obersten 
Aufsicht und Fürsorge des Staats in Beziehung 
  
auf Religionsübung (jus circa sacra), wie diese 
Rechte das A. L. R., II, 11, S§s. 113 ff. be- 
stimmt hat, ohne Unterschied der Glaubensver- 
wandten. Nach Maßgabe der den verschiedenen 
Religionsparteien zugestandenen Verfassung hat 
sie auch die Konsistorialrechte (jus sacrorum) 
namentlich in Absicht der Protestanten nach §. 143 
a. a. O. des A. L. N. — Dieselben Bestimmungen 
enthielt die Verordn. v. 27. Okt. 1810 (zu C, Nr. 1,2) 
über die veränderte Verfassung der obersten Staats- 
behörden (G. S. 1811, S. 3), nach welcher die 
Abteilung für den Kultus im Min. d. Inn. noch 
bestehen blieb. 
G. S. 1817, S. 289. 
4 G. S. 1815, S. 85. 
5 Mit Ausnahme der Universitäten. 
6 G. S. 1817, S. 230, 237, 248. 
7 G. S. 1826, S. 1 u. 5. 
8 Durch den Allerh. Erlaß v. 19. Mai 1886 
(G. S. 1886, S. 157) ist für die Provinz West- 
preußen ein Konsistorium in Danzig, durch den 
Allerh. Erlaß v. 14. Jan. 1895 (G. S.1895, S.7) 
im Konsistorium der Provinz Brandenburg eine 
Abteilung Berlin errichtet worden. Uber den Vor- 
sitz in den Konsistorien vgl. die im Text ange- 
führte Verordn. v. 27. Juni 1845, §. 6 (G. S. 
1845, S. 440) und den Allerh. Erlaß v. 2. Aug. 
1910 (G. S. 1910, S. 258).
	        
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