200 Staat und Kirche. (8. 128.)
verfassung der acht älteren Provinzen der Monarchie ihren Abschluß gefunden. Für die
Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen gilt die
Kirchengemeinde= und Synodalordnung v. 10. Sept. 1873 nebst dem Gesetz v. 25. Mai
1874, für die Provinz Westfalen und die Rheinprovinz die Kirchenordnung v. 5. März
1835 mit ihren Zusätzen und Anderungen 1, für sämtliche acht älteren Provinzen gemein-
schaftlich die Generalsynodalordnung v. 20. Jan. 1876 nebst dem Gesetz v. 3. Juni
1876.2 Das staatliche Recht hat es dabei nur mit denjenigen Beziehungen zu tun,
welche durch die neue Kirchenverfassung zwischen dem Staate und der evangelischen Kirche
festgestellt worden sind, wogegen die dadurch begründete innere Organisation der evan-
gelischen Kirche lediglich dem kirchlichen Rechte angehört.
§. 128.
II. Das geltende Recht.“
Als Organe der Selbstverwaltung der Kirchengemeinden dienen die Gemeinde-
kirchenräte (in den beiden westlichen Provinzen Presbyterien), die unter dem Vorsitz
des Pfarrers aus den etwaigen übrigen Pfarrern und 4 bis 12 von der Gemeinde
gewählten Altesten (Presbytern) 6 bestehen, und die Gemeindevertretungen, die in
Gemeinden von 500 (vwestliche Provinzen: 200) und mehr Seelen daneben zur Beschluß-
nahme über wichtigere Angelegenheiten gebildet werden; in kleineren Gemeinden erfolgt
diese Beschlußnahme durch die Gemeindeversammlung." Die Gesamtheit der in einer
Diözese belegenen Gemeinden wird durch die Kreissynode vertreten, welche aus dem
Superintendenten als Vorsitzenden, allen ein Pfarramt verwaltenden Geistlichen und
doppelt so viel 3 von den Gemeinden gewählten Mitgliedern besteht, in der Regel einmal
jährlich berufen und zwischendurch vom Kreissynodalvorstand vertreten wird.? Die evan-
1 Oben S. 188, Anm. 5; Nitze-Gebser,
Die Verfassungs= und Verwaltungsgesetze der
evangel. Landeskirche in Preußen 3, 1912; Lütt-
gert, Die evangel. Kirchenges. der preuß. Lan-
deskirche, bes. in Rheinland und Westfalen, 1911;
Zorn, Artikel Kirchengemeinde, in v. Stengel-
Fleischmanns W. St. V. R.2, Bd. II, S. 515 ff.;
Giese, Art. Kirchenvermögen (II. Verwaltung,
1. Preußen), das. S. 526 ff., 532 f.
2 Nur die hohenzollernschen Lande entbehrten
noch längere Zeit einer umfassenden Kirchenord-
nung und waren mit der altpreußischen Landes-
kirche nur kirchenregimentlich durch Unterstellung
unter das Konsistorium der Rheinprovinz ver-
bunden. Am 1. März 1897 erging die Kirchen-
gemeindeordnung für die evangel. Gemeinden in
den hohenzoll. Landen (nebst Staatsges. vom
selben Tage, G. S. 69), am 2. Juli 1898 die
Kreissynodalordnung für die evangel. Gemeinden
Hohenzollerns (nebst Staatsges. vom selben Tage,
G. S. 271); durch Kirchenges. vom 19. und
Staatsges. vom 21. Sept. 1898 (G. S. 132)
endlich wurde die hohenzollernsche Kreissynode in
den Gesamtsynodalverband der altpreuß. Landes-
kirche aufgenommen. Schoen, Zd. I, S. 92f.
3 Rechtsquellen: Friedberg, Die geltenden
Verfassungsgesetze der evangel. deutschen Landes-
kirchen (Freiburg 1885), nebst 4 Ergänz.-Bdn.
(1888, 1890, 1892, 1904); Nitze-Gebser, Die
Verfassungs= und Verwaltungsgesetze der evangel.
Landeskirche in Preußen s, 1912; Lilge, Gesetze
und Verordnungen über die Verfassung und Ver-
waltung der evangel. Landeskirche 8, 1909. Vgl.
die oben S. 187, Anm. 1 vermerkte Literatur.
4 Besondere Vertretungsorgane („Stadtsynode“,
„Verbandsvertretung“) bestehen in der sog. Ber-
liner „Stadtsynode" und in den übrigen Paro-
chialverbänden. Kirchen- und Staatsgesetz, betr.
die Berliner Stadtsynode und die Parochialver-
bände in größeren Orten v. 17. bzw. 18. Mai
1895; Kirchengesetz und Staatsgesetz über die
Bildung von Parochialverbänden im Geltungs-
bereiche der revid. K. O. für Westfalen und die
Rheinprovinz, beide v. 4. Juli 1904 (K. G. u.
V. Bl. 1895, S. 37; 1904, S. 16; G. S. 1895,
S. 175; 1904, S. 146). Eine besondere Stel-
lung nehmen die Militärgemeinden ein; Verordn.
v. 19. Okt. 1904, betr. die Zugehörigkeit zu den
Militärgemeinden (G. S. 1904, S. 273).
5 v. Frantzius, Kann ein wegen Frrlehre
ausgeschiedener Pfarrer Mitglied kirchlicher Ge-
meindeorgane werden und bleiben? Dissertation,
Greifswald 1912.
* Probst, Die Wahl eines besoldeten Ren-
danten zum Mitgliede des Gemeindekirchenrates,
Preuß. Pfarrarchiv, Bd. V, S. 197 ff.
* K. G. u. S. O. v. 10. Sept. 1873, s. 1—48;
Staatsges. v. 25. Mai 1874, Art. 1—5; rhein.=
westfäl. K. O. v. 5. März 1835 in der Fassung
des Kirchenges. v. 5. Jan. 1908, 88. 1—33.
s Für die westlichen Provinzen vgl. §. 35 der
rhein.-westfäl. Kirchenordnung.
° K. G. u. S. O. v. 10. Sept. 1873, 88. 49
—57 (§. 50 ist durch §. 43 der G. S. O. vom
20. Jan. 1876 ersetzt); Staatsges. v. 3. Juni
136 , Art. 2—9; rhein.-westfäl. K. O., §§. 34
—43