Der Weg der Gesetzgebung.
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) Das Recht der Teilnahme an der Gesetzgebung ist für beide Kammern ein
gleiches.
Hiervon findet eine Ausnahme nur statt in bezug auf das Staatshaushalts-
gesetz (Art. 99 der Verfassungsurkunde), welches, nachdem es von der zweiten (zuerst
Teil, sondern auch der sog. Eingang und
die Unterschrift. Der Eingang des Gesetzes ent-
hält oft nur die gewöhnlich übliche Publikations=
formel, bisweilen aber auch ein Mehreres, näm-
lich die Erwähnung der Art, in welcher der Inhalt
des Gesetzes vorbereitet, und des verfassungs-
mäßigen Grundes, aus welchem der Entwurf durch
die königliche Vollziehung mit Gesetzeskraft ver-
sehen worden. Auch enthält der Eingang bis-
weilen die Veranlassungsgründe des Gesetzes und
doktrinelle Bemerkungen (verba enuntiativa
im Gegensatze zu den eigentlichen Dispositiv-
worten, welche den wirklich verbindlichen Teil des
Gesetzes bilden, wogegen den bloß enuntiativen
Sätzen die verbindende Kraft nicht beizulegen ist,
wohl aber die Bedeutung eines Auslegungsmittels).
Nicht minder kommt es vor, daß in den Eingang
Bestimmungen über den Umfang der Wirksamkeit
des Gesetzes, insbesondere nach Raum und Zeit,
aufgenommen werden. In bezug auf den sog.
Eingang des Gesetzes ist nun streitig geworden,
ob den Kammern auch hierbei eine Mitwirkung zu-
stehe, oder ob die Staatsregierung für sich allein
das Recht habe, solchen zu normieren. Die letztere
hat das ausschließliche Recht für sich in Anspruch
genommen, indem sie sich auf die Bestimmung
des Art. 45 der Verfassungsurkunde stützt, welche
dem Könige die „Verkündigung der Gesetze“ bei-
legt. Praktisch hat sich die Sache dahin gestaltet,
daß in vielen Fällen (ohne Widerspruch der Staats-
regierung) die Eingangsformel von den Kammern
mit festgestellt, in manchen sogar erst hinzuge-
fügt, in anderen Fällen dagegen von den Kammern
gar nicht mit beraten, sondern ihre Normierung
seitens der Staatsregierung einseitig erfolgt ist.
Daß die Praxis, welche überdies nicht gleich-
förmig gewesen ist, nicht über den Grundsatz ent-
scheiden kann, ist einleuchtend. Der Grund aber,
aus welchem die Staatsregierung ihr alleiniges
Recht folgert, ist unzutreffend. Denn nicht das
wird bestritten, daß dem Könige ausschließlich das
Recht zusteht, die Verkündigung der Gesetze zu
befehlen, sondern die Streitfrage ist vielmehr die,
ob dem Könige das Recht zusteht, einen Teil des
Gesetzes (nämlich dessen Eingang) einseitig und
mit Ausschließung der beiden anderen Faktoren
zu machen. Diese Befugnis ist aus dem Art. 45
nicht herzuleiten; denn die Handlung der Ver-
kündigung ist etwas anderes, als die Festsetzung
der einen Teil des (von dem Könige allein zu
verkündigenden) Gesetzes bildenden Eingangs-
formel. Wer das Gesetz zu machen hat, bestimmt
der Art. 62, und es bleibt unbestreitbar, daß der,
welcher hierzu ohne Einschränkung mitberufen ist,
das Recht hat, an dem ganzen Gesetze sich zu
beteiligen, folglich auch an dessen Eingangsformel.
Dies kann sicher am wenigsten zweifelhaft sein,
wenn der Eingang ein Mehreres enthält, als die
gemeinübliche Eingangsformel, namentlich wenn
dieselbe Sätze in sich aufnimmt, welche darin
zwar enthalten sein dürfen (z. B. Zeit= und Naum-
beschränkungen der Wirksamkeit des Gesetzes),
welche aber nicht darin enthalten zu sein brauchen,
v. Rönne-Zorn, Preuß. Staatsrecht.
5. Aufl. III.
sondern ebensogut in den dispositiven Teil des
Gesetzes aufsgenommen werden können und in der
Regel in diesem zweckmäßiger ihre Stelle finden.
Zugegeben mag nur das werden, daß, wenn (wie
z. B. in England) die Eingangsformel ein= für
allemal gleichförmig durch Vereinbarung der sämt-
lichen Faktoren der Gesetzgebung feststeht, darüber
eine Verhandlung und Beschlußnahme der Kammern
niemals erforderlich ist. Wo aber, wie in Preußen,
eine solche Praxis nicht besteht, da bildet auch
die Eingangsformel, als Teil des Gesetzes, einen
Gegenstand der Vereinbarung der gesetzgebenden
Faktoren, von welchen der eine zwar das alleinige
Recht hat, die Verkündigung des Gesetzes zu be-
fehlen, nicht aber das Recht, einen Teil des (zu
verkündigenden) Gesetzes allein zu machen. Völlig
verfehlt ist es, das Gegenteil daraus herleiten zu
wollen, daß die Ausführung der Gesetze nach
Art. 45 dem Könige allein gebührt. Denn es
sind drei verschiedene Tätigkeiten: a) die Verein-
barung des Gesetzes, b) die Verkündigung des-
selben, c) die Ausführung des als vereinbart ver-
kündeten Gesetzes. Die Richtigkeit des hier ver-
teidigten Grundsatzes ergibt sich überdies noch
daraus, daß umfangreichere Gesetze durch beson-
dere Publikationspatente oder Einführungsgesetze
speziell publiziert zu werden pflegen. Wäre die
Festsetzung der Art und Weise der Verkündigung
ein ausschließliches Recht der Krone, so müßte
behauptet werden können, daß diese auch in Fällen
der soeben gedachten Art das Recht habe, das
Einführungsgesetz einseitig zu erlassen. Dies
Recht hat indes die Krone selbst nicht für sich in
Anspruch genommen. Offfenbar liegt dem ganzen
Streite die Verwechslung der Begriffe der die
Verkündigung befehlenden Handlung mit der Art
und Weise der Verkündigung selbst und dem In-
halte des zu Verkündigenden zugrunde. Die Hand-
lung der Verkündigung ist eine Prärogative der
Krone (Art. 45), welche auch berechtigt ist, solche
zu unterlassen und solchergestalt ihr absolutes Veto
auszuüben; die Art und Weise des Aktes der Ver-
kündigung ist ein für allemal gesetzlich geordnet
(Art. 106); endlich der Inhalt des zu Verkündigen-
den ist das Gesetz, welches vereinbart worden und
seinem ganzen Inhalte nach zwischen den drei
Faktoren vereinbart werden muß (Art. 62). Zu
dem Gesetze gehört aber auch dessen Eingang,
und dieser kann außer der gemeinüblichen „Ver-
kündigungsformel“ auch anderes enthalten. Soll
er von der gemeinüblichen Verkündigungsformel
Abweichendes, oder soll er ein Mehreres (sei es
enuntiativen oder dispositiven Inhaltes) enthalten,
so bildet das Abweichende oder Mehrere einen Teil
des vor der Verkündigung notwendig zu Verein-
barenden.“ Vgl. Stenogr. Ber. der 1. K. 1853—54,
Bd. l, S. 69—70 und S. 245—248; desgl. der
2. K. 1853—54, Bd. I, S. 53—64, Stenogr. Ber.
des A. H. 1855—56, Bd. II, S. 555 ff., und des
H. H. 1861, Bd. I, S. 308 ff., 1863, Bd. I,
S. 127 ff. Der Gegenstand ist übrigens bereits
bei Revision der oktr. Verf. Urk. v. 5. Dez. 1848
zur Sprache gekommen, wo es sich darum handelte,
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