Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

74 Die Gesetzgebung. 
C. 117.) 
Staatsrecht uneingeschränkt zusteht 1, sollen nicht bloß der Person des Monarchen, sondern 
auch der Volksvertretung gesetzmäßig verantwortlich sein." Diesen Grundsatz hat auch die 
preußische Verfassungsurkunde ausdrücklich anerkannt, indem Art. 44 ausspricht: „Die 
Minister des Königs sind verantwortlich.“/ 
II. Um die praktische Verwirklichung der beiden untrennbaren Grundsätze, daß der 
König für alle seine Regierungshandlungen unverantwortlich sei, dagegen die Minister 
dafür zur Rechenschaft gezogen werden können, zu ermöglichen, bedurfte es der weiteren 
Bestimmung, welche der Art. 44 der Verfassungsurkunde gleichfalls enthält, „daß alle 
Regierungsakte des Königs zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung eines 
Ministers bedürfen, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt“. 
„Regierungsakte“ des Königs sind alle Willensakte, welche sich auf die Leitung des 
Staates beziehen. Vor allem fallen unter den Begriff die königlichen Verordnungen jeder 
  
Zachariä, D. St. u. B. R., 3. Aufl., Bd. I, 
S. 308, Note 4). Auf dem Wiener Kongreß 
wurde zwar von den deutschen Fürsten mehrfach 
das Recht der Stände anerkannt, die Verant- 
wortlichkeit auch der obersten Staatsdiener durch 
Beschwerdeführung geltend zu machen (ogl. 
Zachariäa.a. O., S. 309—310); allein hierin 
konnte der Verlust des reichsgerichtlichen Schutzes 
keinen Ersatz finden; um das Recht der ständischen 
Anklage zur Geltung zu bringen, war es viel- 
mehr notwendig, dasselbe durch zweckentsprechende 
Einrichtungen von dem Belieben und der Will- 
kür der Regierung unabhängig zu stellen; dies 
hat dahin geführt, in den Verfassungen der meisten 
deutschen Staaten die Verantwortlichkeit der 
Organe des Herrschers ausdrücklich auszusprechen 
und durch besondere gesetzliche Einrichtungen die 
Ausführung dieses Grundsatzes möglich zu machen. 
Auch der Frhr. v. Stein zählte die Ausübung 
des Rechtes, die Minister zur Verantwortung zu 
ziehen, zu den Rechten, „welche ursprünglich die 
Deutschen Landstände hatten“", und bemerkt (in 
dem Schreiben an Münster v. 20. Okt. 1814): 
„Sollen die Stände etwa nur das Recht haben, 
gravamina einzureichen und zu dolieren? Dann 
ist das ganze Institut ein geistloses Machwerk, 
an dem kein Vernünftiger Teil nehmen mag, 
und, statt auf den Geist der Nation zu wirken, 
ihn nur noch mehr herabwürdigt" (s. Steins Leben 
von Pertz, Bd. IV, S. 135). 
1 Art. 45 der Verf. Urk. 
2 König Friedrich Wilhelm IV. hatte den 
Grundsatz der Verantwortlichkeit der Minister im 
allgemeinen bereits in dem Bescheide v. 22. März 
1848 an die städtischen Behörden zu Breslau und 
Liegnitz (M. Bl. d. i. Verw. 1848, S. 84) aner- 
kannt und darin die Vorlegung eines Gesetzes 
hierüber verheißen, was der Bescheid v. 28. März 
1848 an die Deputierten der rheinischen Städte 
(a. a. O., S. 85) wiederholte. Als dann das 
Ministerium Camphausen in einem Immediat- 
berichte v. 30. März 1848 aussprach, daß es den 
Absichten des Königs zu begegnen glaube, wenn 
es sich sofort für alle seine Maßnahmen der 
künftigen Volksvertretung verantwortlich und den 
dieserhalb zu erlassenden Gesetzen unterworfen 
erkläre, sprach der Allerh. Erlaß von demselben 
Tage das Einverständnis des Königs mit diesen 
Ansichten aus (M. Bl. d. i. Verw. 1848, S. 86). 
3 Dieser (erste) Satz des Art. 44 der Verf. 
  
  
  
Urk. findet sich gleichlautend bereits in dem §. 20 
des Reg. Entw. v. 20. Mai 1848, in dem Art. 44 
des Entw. der Verf. Komm. der Nat. Vers. und 
in dem Art. 42 der Verf. Urk. v. 5. Dez. 1848; 
auch wurde er bei der Revision unverändert bei- 
behalten. Die königl. Botschaft v. 7. Jan. 1850 
(Proposition V) hatte beantragt, statt dessen zu 
setzen: „die Minister sind dem Könige und 
dem Lande (Art. 59) verantwortlich“, wozu die 
Motive bemerkten: „Daß die Verantwortlichkeit 
der Minister, welche ein Korrelat der Unverletz- 
lichkeit des Königs ist, durch deren Gegenzeich- 
nung der Regierungsakte zu konstatieren ist, wird 
in Art. 42 (jetzt Art. 44, Satz 2) ausgesprochen. 
In dem Titel „von den Ministern“ ist die Stelle, 
auszudrücken, gegen wen diese Verantwortlichkeit 
eintritt. Über die an sich unzweifelhafte Ver- 
antwortlichkeit der Minister dem Könige gegen- 
über, der sie jederzeit entlassen kann, bedarf es 
weiterer Festsetzungen nicht; dagegen kann die 
Verantwortlichkeit dem Lande gegenüber nur durch 
dessen Vertreter, die Kammern, in Anspruch ge- 
nommen werden, worüber Art. 59 (jetzt Art. 61) 
die erforderliche Festsetzung mit Hinweisung auf 
ein Spezialgesetz enthält“" (vgl. Stenogr. Ber. der 
1. K. 1819—50, S. 2217). Allein beide Kammern 
lehnten die Abänderung ab und es wurde die 
Fassung, so wie sie oben im Text angegeben ist, 
beibehalten. Vgl. die betr. Komm. Ber. in den 
Stenogr. Ber. der 2. K. 1849—50, S. 2072, und- 
der 1. K., S. 2365. Der Bericht des Zentral- 
aussch, der 1. K. insbesondere erklärt die in der 
königl. Proposition gemachte Unterscheidung 
zwischen einer Verantwortlichkeit der Minister 
dem Könige und dem Lande gegenüber für 
unnötig und überflüssig. „Es verstehe sich die 
Verantwortlichkeit dem Könige gegenüber von 
selbst; sie brauche daher nicht ausdrücklich be- 
zeichnet zu werden. Der Vorschlag sei daher 
unklar und diese Unklarheit könne um so mehr 
zu einer Beunruhigung führen, als a) die Kumu- 
lation: dem Könige und dem Lande, dem Zweifel 
Raum gebe, ob diese Verantwortlichkeit auch ein- 
seitig geltend gemacht werden könne, und als b) 
der Ausdruck: cWdem Lande) bei denjenigen, 
welche die Motive nicht kennen lernen, Mißtrauen 
und Beunruhigung erregen könne, ob das Land 
bei der Geltendmachung dieser Verantwortlichkeit 
durch andere Organe als die Kammern vertreten 
werden solle“ (vogl. v. Rönnes Bearbeitung der 
Verf. Urk., Art. 44, S. 96—98).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.