Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Zweite Abteilung. (3_2)

Geschichtlicher überblick. (8. 132.) 243 
Allgemeine Landrecht, welches in Teil II, Titel 12 von niederen und höheren Schulen 
handelt, stellte an die Spitze den Grundsatz, daß Schulen und Universitäten Ver- 
anstaltungen des Staates sind, welche nur mit Vorwissen und Genehmigung des 
Staates errichtet werden dürfen und seiner Prüfung und Visitation zu jeder Zeit unter- 
worfen sind. Zugleich stellt das Allgemeine Landrecht ein umfassendes Rechtssystem 
über das ganze Unterrichtswesen auf, dessen Grundzüge in der Hauptsache heute noch 
maßgebend sind. Schon vorher war ein bedeutender, wenn auch zunächst bloß formaler 
Fortschritt für das Unterrichtswesen durch dessen Unterordnung unter eine eigene Zentral- 
behörde, das im Jahre 1787 errichtete Oberschulkollegium, gemacht worden. Hiermit 
war zum ersten Male von Staats wegen die Trennung der Schule von der Kirche aus- 
gesprochen und anerkannt, daß die Schule der kirchlichen Bevormundung nicht bedürfe.? 
Das Allgemeine Landrecht befreite aber die Schule, indem es sie als Staatsanstalt pro- 
klamierte, zugleich von konfessioneller Exklusivität.3 Da indes zugleich die Aufsicht über 
die niederen Schulen in die Hände der örtlichen Gerichtsobrigkeit und der Geistlichen 
gelegt und nur für die Lehrer an höheren Schulen und Universitäten ausdrücklich be- 
stimmt war, daß sie als Beamte des Staates angesehen werden sollten 5, so blieb über 
die Stellung der Volksschule und ihrer Lehrer eine Unklarheit zurück, welche sich beson- 
ders in späterer Zeit, als sich eine streng kirchliche Richtung geltend machte, drückend 
erwies. Dadurch sowie durch den Fortschritt des über den landrechtlichen Rahmen 
hinausgewachsenen Schulwesens entstand das Verlangen nach einem neuen Schulgesetz, 
dessen Bedürfnis durch die dem Staate nach den Befreiungskriegen und seit 1815 ge- 
stellte Aufgabe noch dringender hervortrat. Es wurde in der Instruktion für die Pro- 
vinzialkonsistorien v. 23. Okt. 1817 5 (§. 17) sowie in der Instruktion für die Regie- 
rungen von gleichem Datum? (§. 18) der Erlaß einer allgemeinen Schulordnung für 
die ganze Monarchie verheißen, an welche sich besondere Schulordnungen für die ein- 
zelnen Provinzen anschließen sollten. Zur Ausführung dieser Verheißung wurde durch 
die Kabinettsorder v. 3. Nov. 1817 8 eine Immediatkommission eingesetzt, welche in den 
Jahren 1818 und 1819 den „Entwurf eines allgemeinen Gesetzes über die Verfassung 
des Schulwesens im preußischen Staate“ ? ausarbeitete. Allein dieser Entwurf, welcher 
sowohl den Provinzialbehörden als auch den katholischen Bischöfen der Monarchie zur 
Prüfung und Begutachtung mitgeteilt wurde 10, fand allenthalben Widerspruch. Die 
Staatsregierung beschloß daher, das Unternehmen fallen zu lassen. Das Scheitern des 
Entwurfs hatte hauptsächlich seinen Grund in der großen Allgemeinheit der Anlage, in 
der Schwierigkeit der Stellung der Schulen zu den Kirchen, endlich in der Schwierigkeit 
eines gesetzlichen Maßstabes der Schullast. Es wurde nunmehr den Verwaltungsbehörden 
überlassen, nach Maßgabe der bestehenden allgemeinen Landes= und besonderen Provinzial- 
  
Sonderges. v. 26. Dez. 1736 (Mylius, C. C. M., 
VI, Nachlese, S. 93), die für die Kur= und Neu- 
mark ergangene Verordn. v. 2. Jan. 1738 
(Mylius, C. C. M. Contin. I, 2, Nr. 4), das 
General-Landschulreglement König Friedrichs II. 
v. 2. Aug. 1763 (Mylius, N. C. C. III, 3, S. 265, 
und Rabes Samml., I. 2, S. 557), und aus 
der Wöllnerschen Zeit die Instr. v. 16. Dez. 1794 
für die Schullehrer in den Land= und niederen 
Stadtschulen (Mylius, N. C. C., IX, S. 2395, 
und Rabes Samml., II, S. 678). 
1 A. L. R., Tl. II, Titel 12, §§. 1, 2 u. 9. 
: Vgl. die Instr. für das Oberschulkollegium 
v. 22. Febr. 1787 bei v. Rönne, Unterrichts- 
wesen, Bd. 1, S. 76 ff. 
3 A.L. R., Tl. II, Titel 12, §. 10: Niemandem 
soll wegen Verschiedenheit des Glaubensbekennt- 
nisses der Zutritt in öffentliche Schulen versagt 
werden. §. 11: Kinder, die in einer andern 
Religion, als welche in der öffentlichen Schule 
gelehrt wird, nach den Gesetzen des Staates er- 
  
zogen werden sollen, können dem Religionsunter- 
richt in derselben beizuwohnen nicht angehalten 
werden. — Gleichwohl behielt die Schule nach den 
provinziell und konfessionell verschiedenen Schul- 
ordnungen einen konfessionellen Charakter. Vgl. 
Bornhak a. a. O., 2. Aufl., Bd. III, S. 699f. 
4 §§. 12, 25, 49 das. 
5 §§. 65 u. 73 das. 
* G. S. 1817, S. 237. 
7 Das. S. 248. 
*s Vgl. diese in der amtlichen Schrift: „Die 
Gesetzgebung auf dem Gebiete des Unterrichts- 
wesene in Preußen vom J. 1817—68 (1869)“, 
12—13. 
* Vgl. diesen Entwurf (in 113 §s§.) nebst Be- 
gründung in der in der vorigen Note angeführten 
Schrift, S. 15 ff. Schon früher wurde er im 
Schulblatt der Provinz Brandenburg mitgeteilt. 
10 Vgl. die betr. Erlasse in der angeführten 
Schrift, S. 88—90. 
16*
	        
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