Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Zweite Abteilung. (3_2)

244 Unterrichtswesen. 
(8. 132.) 
gesetze für die Verbesserung und Entwicklung des Schulwesens dem fortschreitenden Be- 
dürfnisse gemäß zu sorgen. Allein die aus älterer Zeit herrührenden Provinzialgesetze 
sowie die nicht mehr für alle Verhältnisse der Gegenwart ausreichende Gesetzgebung des 
Allgemeinen Landrechts zeigten sich immer mehr als unzulänglich; insbesondere machten 
die infolge der neueren agrarischen Gesetzgebung eingetretenen Veränderungen in den 
ländlichen Besitzverhältnissen erneut das Bedürfnis einer Revision und Ergänzung des 
bestehenden Rechts auf dem Gebiete des Volksschulwesens fühlbar. Am dringendsten trat 
dieses Bedürfnis in der Provinz Preußen hervor. Für diese wurde daher auf Antrag der 
Provinzialstände der Provinz die „Schulordnung für die Elementarschulen der Provinz 
Preußen v. 11. Dez. 1845“ 1 erlassen. Nach dem Muster dieser Schulordnung wurden 
in den Jahren 1846 und 1847 auch für die übrigen Provinzen Schulordnungen ent- 
worfen und die Vorlegung dieser Entwürfe an die Provinziallandtage durch Allerhöchsten 
Erlaß v. 29. März 1847 angeordnet.? Die Ereignisse des Jahres 1848 hemmten in- 
des den weiteren Fortgang auf diesem Wege. 
III. Der Verfassungsentwurf 3 v. 20. Mai 1848, welcher der zur Vereinbarung 
der Verfassung einberufenen Nationalversammlung vorgelegt wurde, enthielt über das 
Unterrichtswesen nur die eine Bestimmung (§. 13): „Die Freiheit des Unterrichts ist 
nur den in den Gesetzen bestimmten Beschränkungen unterworfen.“ 4 Diese inhaltlose 
Bestimmung erachtete indes die Verfassungskommission der Nationalversammlung nicht für 
ausreichend; sie hielt es für notwendig, die ihr erforderlich scheinenden Grundbestim- 
mungen über das Unterrichtswesen in der Verfassungsurkunde ausführlicher niederzulegen. 
Bevor jedoch dieser Entwurf auf Grund der in den einzelnen Abteilungen stattgefun- 
denen Beratung unter Anwesenheit und Meinungsäußerung von Regierungskommissaren 
von der Zentralabteilung der Nationalversammlung begutachtet wurde, hatte die Deutsche 
Nationalversammlung in Frankfurt in den §§. 17—20 der Grundrechte des deutschen 
Volkes 5 ihre das deutsche Unterrichtswesen betreffenden Beschlüsse bereits ausgesprochen. 
Diese sind auf die von der Zentralabteilung der preußischen Nationalversammlung aus- 
gegangene teilweise Abänderung des von der Verfassungskommission überreichten Entwurfs 
nicht ohne Einfluß geblieben? und haben auch in der oktroyierten Verfassungsurkunde v. 
5. Dez. 1848 (Art. 17—23) Berücksichtigung gefunden.¾ Bei der Revision der Ver- 
fassungsurkunde haben diese Bestimmungen der oktroyierten Verfassungsurkunde noch mehr- 
fache Abänderungen erlitten und in ihrer Anordnung des Stoffes eine Umgestaltung er- 
fahren; im wesentlichen liegen sie indes den Bestimmungen der Verfassungsurkunde v. 
31. Jan. 1850 über das Unterrichtswesen (Art. 20—26) zugrunde.? ' 
IV. Die Verfassungsurkunde stellt an die Spitze ihrer Bestimmungen über das 
Unterrichtswesen die Sätze des Art. 20, welcher die Freiheit der Wissenschaft und ihrer 
Lehre (das Grundrecht der Lehr- und Lernfreiheit), sowie des Art. 21, welcher die 
Unterrichtsfreiheit gewährleistet. Sie wendet sich sodann unter Verweisung auf ein be— 
sonderes Unterrichtsgesetz (Art. 26) fast ausschließlich dem Volksschulwesen zu. Aus— 
  
1 G. S. 1846, S. 1ff. 
2 Näheres hierüber in der amtlichen Schrift: 
Über die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Unter- 
richtswesens in Preußen, S. 115 ff. 
* Vgl. zum folgenden besonders Anschütz, 
Verf. Urk., S. 364 ff. 
Vorbild: constitution belge, art. 17, 1. 
Über den Gegensatz des belgischen und preußischen 
Schulwesens Anschütz a. a. O., S. 364 . 
5 Vgl. die Art. 22—25 des Entw. * Verf. 
Komm. der Nat. Vers. v. 11. Juli 1848 nebst 
Motiven in Rauers Protokollen der Verf. Komm. 
der Nat. Verf., S. 110, 124—125, desgl. in 
v. Rönne, Unterrichtswesen, Bd. J, S. 224, und 
den Gegenentwurf der 21 Abgeordneten (meist des 
Lehrerstandes) das. S. 224—225. 
* Reichsverfassung von 1849, §§. 152—157. 
  
*Vgl. den Verf. Entw. der Zentralabteilung 
der Nat. Vers., Art. 22—25 nebst den Motiven 
dazu bei v. Rönne, Unterrichtswesen, Bd. I, S. 
225—226; Anschütz a. a. O. S. 366f. 
5 Zu den Art. 17—23 der Verf. Urk. v. 5. Dez. 
1848 veröffentlichte der Min. d. geistl. u. Unterr. 
Ang. v. Ladenberg am 15. Dez. 1848 unter dem 
Titel: „Erläuterungen“ eine besondere Denk- 
schrift (1848), welche die Begründung derselben 
entwickelt und von besonderer Wichtigkeit für die 
Kenntnis der damals im Ministerium herrschen- 
den Auffassung der angeregten Schulfragen ist. 
Vgl. diese auch bei v. Rönne, Unterrichtswesen, 
Bd. I, S. 227—231. 
" Näheres bei v. Rönne, Verf. Urk., Art. 20 
—26, S. 48—61 und im Auszuge in dessen 
AUnterrichtswesen, Bd. I, S. 232—233.
	        
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