Geschichtlicher Überblick. (§. 132.)
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Gesetzes betreffend die Aufhebung der letzten Bestimmung des Art. 25 der Verfassungs-
urkunde, zur verfassungsmäßigen Beschlußnahme vorgelegt. Der Entwurf des ersteren
Gesetzes umfaßt in sechs Abschnitten: a) die öffentlichen Volks= und Bürgerschulen so-
wie die persönlichen Verhältnisse ihrer Lehrer, b) die Bildung und Prüfung dieser Lehrer,
c) die Gymnasien, Real= und höheren Bürgerschulen, d) das Privatunterrichtswesen,
e) das jüdische öffentliche Schulwesen, t) die Universitäten.
Schlusses der Session nicht zur Beratung dieser Gesetzentwürfe gekommen.
Es ist indes wegen
Die Be-
stimmung des Art. 26 der Verfassungsurkunde blieb also abermals unausgeführt.“ Auch
die späteren, von den Ministern Falk (1872) 5, v. Goßler (1890, 1891) und v. Zedlitz
(1892) unternommenen Versuche, ein allgemeines Unterrichtsgesetz zustande zu bringen,
sind gescheitert.
Infolgedessen hat die Staatsregierung seitdem darauf verzichtet, diesen Versuch zu
1 Vgl. diese beiden Gesetzentwürfe nebst Mo-
tiven in den Drucks. des A. H. 1869—70, Nr. 75,
und in den Stenogr. Ber. dess. 1869—70, Anl.
Bd. S. 408, Nr. 75. Von dem statistischen Bureau
wurde den Mitgliedern der Unterrichtskommission
des A. H. ein umfangreiches statistisches Material
zur Beratung des Unterrichtsgesetzes zur Ver-
fügung gestellt, welches von dem Referenten der
Komm. (Gneist) übersichtlich geordnet wurde (val.
die Anl. zu Nr. 75 der Drucks.). — Die Ein-
bringung der Gesetzentwürfe erfolgte in der Sitz.
v. 4. Nov. 1869 (Stenogr. Ber. des A. H. 1869
— 70, Bd. I, S. 307 ff.).
2 Die Begründung des Entwurfes des Unter-
richtsgesetzes hebt hervor, daß der Entwurf sich mög-
lichst an den vom Min. v. Bethmann Hollweg aus-
gearbeiteten Entwurf anschließe, daß ihm die Be-
stimmungen der Verf. Urk. zugrunde gelegt worden
seien, welche indes bezüglich der bei der öffentl.
Volksschule beteiligten drei Faktoren (Staat, Kirche,
Gemeinde) der Vermittlung der Befugnisse dieser
Faktoren bedürften. Dies sei daher die Aufgabe
des Gesetzentwurfes. Vgl. auch die Rede des Min.
v. Mühler in der Sitz. v. 4. Nov. 1869 (Stenogr.
Ber. des A. H. 1869—70, Bd. I, S. 307 ff.).
3 Die mit der Vorberatung der Entwürfe be-
auftragte Kommission hat nicht einmal Bericht
darüber erstattet und ist hierzu auch bei den ob-
waltenden Umständen nicht imstande gewesen.
Die Gesetzentwürfe wurden dem A. H. am 4. Nov.
1869 vorgelegt. Durch fast tägliche Plenar-
sitzungen zur Beratung des Staatshaushaltsetats
wurden die Arbeitskräfte des Hauses bis Ende
des Jahres 1869 in Anspruch genommen, und
die kurze Zeit von Anfang Januar bis Anfang
Februar 1870 war unzureichend, um zwei so wich-
tige und umfangreiche Gesetzentwürfe zu erledigen.
Dazu trat überdies noch die Erschwerung der
Arbeit durch die völlig abweichenden Anschau-
ungen in der Komm. des A. H. von denjenigen
des Ministeriums.
4 Am Schlusse der amtlichen Schrift: „Die
Gesetzgebung auf dem Gebiete des Unterrichts-
wesens in Preußen"“ heißt es (S. 286): „Die in
dieser Schrift gegebene Darstellung einer mehr als
fünfzigjährigen Arbeit auf diesem Gebiete gibt
Anhalt und Bürgschaft für die Zuversicht, daß es
zum endlichen Abschlusse einer das geistige Leben
der Nation tief berührenden Angelegenheit nicht
nochmals eines Zeitraumes von 50 Jahren be-
dürfen wird.“ Vgl. dagegen die beachtungswerte
Schrift von Gneist, Die Selbstverwaltung der
Volksschule, Vorschläge zur Lösung des Schul-
streites durch die preuß. Kreisordnung“ (1869).
Der Verf. zeigt, daß drei Grundmängel bestehen,
an welchen die bisherigen Versuche gescheitert sind,
nämlich die Unklarheit der herrschenden Vorstel-
lungen, der mangelnde Sinn für Gesetzlichkeit
(besonders in dem Verhältnisse zwischen Kirche
und Staat) und der Mangel eines ernsten Willens,
der Elementarschule durch Beschaffung neuer Mittel
zu helfen.
5 Der Min. Falk erklärte in der Komm. für
das Unterrichtswesen im Jahre 1875 („vgl. den
Ber. der Komm. v. 8. Juni 1875 zu B in den
Stenogr. Ber. des A. H. 1875, Anl. Bd. III,
Nr. 434, S. 2355), „daß es für die umfassenden
und bedeutenden Aufgaben der Unterrichtsverwal-
tung notwendig einer gesetzlichen Grundlage
bedürfe und daß nur die großen Schwierigkeiten,
welche sich dem entgegenstellten, ihn bisher ver-
hindert hätten, den Entwurf eines Unterrichts-
gesetzes vorzulegen; insbesondere könnten wesent-
liche Teile des Gesetzes nicht eher fixiert werden,
als bis in den Provinzen, in welchen die Kreis-
ordnung von 1872 eingeführt sei, die Provinzial=
ordnung einen gewissen gesetzlichen Abschluß ge-
funden habe“. Als im Jahre 1876 der Abgeordn.
Windthorst (Bielefeld) die Staatsregierung darüber
interpellierte, wieweit die Vorarbeiten für das
Unterrichtsgesetz gediehen seien und wann dessen
Vorlage erwartet werden dürfe (vgl. Stenogr. Ber.
des A. H. 1876, Anl. Bd. I, Nr. 48, S. 499,
die Begründung der Interpellation in der Sitz.
des A. H. v. 23. Febr. 1876, Stenogr. Ber. 1876,
Bd. I, S. 187 ff.), erklärte der Min. Falk (Stenogr.
Ber. a. a. O. S. 190 ff.), „daß er seit Ubernahme
seines Amtes die Maßnahmen ins Auge gefaßt
habe, welche erforderlich seien, den Boden zu be-
reiten, auf welchem eine gesetzliche Fixierung der
notwendigen Erfordernisse eines Unterrichtsgesetzes
möglich werde; er habe das Material zu Denk-
schriften bearbeiten lassen, auf Grund deren die
Entscheidung über die einzelnen Bestimmungen
in dem Unterrichtsgesetzentwurfe demnächst gefaßt
seien, und es sei hierauf ein vollständiger Entwurf
des Unterrichtsgesetzes in seinem Ministerium aus-
gearbeitet worden. Infolgedessen seien demnächst
(durch Verfügung v. 22. April 1875) von den
Oberpräsidenten noch Berichte über verschiedene
Punkte erfordert, nach deren Eingang er hoffe,
den Entwurf des Unterrichtsgesetzes in der nächsten
Session vorlegen zu können“. Die Vorlegung ist
indes auch später nicht erfolgt.