Entwicklung der Gesetzgebung. (8. 183.) 427
Papenburg, g) das Jadegebiet, nicht unterworfen (8. 3). Die Gemeinschaften (8. 1) wurden durch
Vertrag — freie Genossenschaften — oder durch Beschluß der staatlichen Behörden — öffentliche
Genossenschaften — begründet (s. 4). Der Genossenschaft konnten außer den Eigentümern der bei
dem Unternehmen beteiligten Grundstücke nur die Gemeinde-, Amts-, Kreis= und sonstigen Kom-
munalverbände, sowie die Deich= und Meliorationsverbände, deren Interessen bei dem Unternehmen
beteiligt waren, als Mitglieder angehören (§. 5). Die Rechtsverhältnisse der Genossenschaft mußten
durch ein Statut geregelt werden (§. 8). Die Genossenschaft mußte einen Vorstand haben, der sie
in allen ihren Angelegenheiten vertrat (§. 9). Was die freien Genossenschaften betraf, so mußte der
Vertrag, durch den sie begründet wurde (Genossenschaftsstatut) gerichtlich oder notariell aufgenommen
werden (§. 11). Die Begründung einer öffentlichen Genossenschaft erforderte den Nachweis eines
öffentlichen oder gemeinwirtschaftlichen Nutzens, dessen Vorhandensein durch die Bestätigung des
Statuts endgültig festgestellt wurde (§. 45). Das Gesetz enthielt besondere Bestimmungen darüber,
welche Gegenstände durch das Genossenschaftsstatut zu regeln waren, ordnete die Erfüllung der von
der Genossenschaft einzugehenden Verbindlichkeiten, schrieb das bei Bildung von Genossenschaften zu
beobachtende Verfahren vor und traf die nötigen Festsetzungen wegen Beaufsichtigung der vorhan-
denen und auch der künftig zu bildenden Genossenschaften. Die freien Genossenschaften bedurften
lediglich der Eintragung in das gerichtliche Negister für Wassergenossenschaften, unterlagen aber einer
besonderen staatlichen Beaufsichtigung nicht.
§. 183.
IV. Die Deichgesetzgebung: hat durch das für die ganze damalige Monarchie ergangene
Gesetz über das Deichwesen v. 28. Jan. 18482 eine neue Grundlage erhalten. Bis dahin gab es
entweder nur provinzielle Deichordnungen für einzelne Territorien oder Spezialordnungen für
einzelne Flüsse oder Flußstrecken, für öffentliche und für Privatflüsse. Daneben waren aber auch
gesetzliche Bestimmungen ergangen über die Ströme und ihre Ufer, und zwar provinzielle für einzelne
Territorien, spezielle für einzelne Ströme in Verbindung mit Deichordnungen, teils ohne solche.
Diese älteren provinziellen und besonderen Deich= und Stromorduungen enthielten keine allgemeinen
Grundsätze über die künftige Regulierung des Deichwesens innerhalb eines Territoriums oder einer
Provinz, sondern nur Spezialbestimmungen für die verschiedenen einzelnen Deichverbände und Flüsse
desselben Landesteils. Ein gemeines Deichrecht bestand nicht. 3 Die großenteils in der ersten
Hälfte des 18. Jahrhunderts ergangenen Deichstatuten waren in vielen Beziehungen veraltet und
unzweckmäßig geworden, sie gewährten auch keinen Anhalt für die zahlreichen Fälle, in denen die
Besitzer einer bewallten Niederung in keinem Verbande standen, die Unterhaltung der Dämme viel-
mehr, gewöhnlich ohne genügend gesicherte rechtliche Verpflichtung, durch die Uferbesitzer erfolgte.
Sie gewährten gar keinen Anhalt, um im Wege der Verwaltung neue Anlagen herbeizuführen.
Die Folgen hiervon waren ein durchaus ungenügender Zustand der keinem Verbande zugeteilten
Deiche und häufige Verwüstungen der Niederungen durch Hochwasser und große Ansprüche an die
öffentlichen Kassen auf Unterstützung zur Herstellung der zerstörten Schutzanlagen. Die Erweiterung
von Privatdeichanlagen im Wege freiwilliger Vereinbarung nach einem gemeinschaftlichen zweck-
entsprechenden System fand unübersteigliche Hindernisse in den widersprechenden Interessen der ein-
gedeichten und der nicht eingedeichten Niederungsgrundstücke. Diese Erwägungen haben dazu geführt,
die gesamte Deichgesetzgebung einer Revision zu unterwerfen, deren Ergebnis der Erlaß des Gesetzes
v. 28. Jan. 1848“ gewesen ist.
Das Gesetz v. 28. Jan. 1848 ordnete das Deichwesen aus allgemeinen, aus der Natur der
Verhältnisse abgeleiteten Grundsätzen, für sämtliche zur Zeit seiner Publikation zur Monarchie gehörige
Landesteile auf gleiche Weise und verweist die Berücksichtigung besonderer eigentümlicher und lokaler
Verhältnisse in die für jeden einzelnen Deichverband abzufassenden landesherrlich zu vollziehenden
Statuten.5 Das Gesetz handelt in dem ersten Abschnitte (§§. 1—10) von solchen Deichen, die keinem
1 Lette-v. Rönne, Die Landeskulturgesetz= sechs östl. Provinzen und Westfalens im J. 1841
gebung des preuß. Staates, Bd. II, Abt. 2, S. 670 und dem Rheinischen Prov.-Landtage im J. 1845
—704.V vorgelegt und im J. 1848 zum Gesetz erhoben
2 G. S. 1848, S. 54. worden ist.
3 Das A.L. R. beschränkte sich in dieser Beziehung 5 §. 15 des Gesetzes verordnet, daß das Statut
auf die wenigen Bestimmungen in den s§.63— 66, die Bestimmungen über folgende Gegenstände
Tit. 15, Tl. II, in Verbindung mit den allgemeinen enthalten soll: 1. den Umfang des Sezietäts-
Grundsätzen der §§. 33 u. 34, Tit. 8, Tl. I. zweckes, 2. die Deichpflicht oder die Art und
4 Dieses Gesetz, das einen Teil des Wasser= Verteilung der Beiträge und Leistungen, 3. die
rechtes bildet, gehört in das System der Maß= von den Grundbesitzern zu übernehmenden Be-
regeln, die ein in den Jahren 1834 und 1837 schränkungen des Eigentums, 4. das den Staats-
den Provinzialständen vorgelegter Gesetzentwurf behörden beizulegende Oberaufsichtsrecht, 5. die
als „Einrichtungen zur Beförderung des Ablaufs Organisation, sowie die Befugnisse und Pflichten
und zur Anhaltung und Benutzung der Gewässer" der Deichverwaltungsbehörde, 6. das Recht der
bezeichnete. Aus diesem Entwurfe gingen später Deichgenossen zur Mitwirkung bei der Deichverwal-
drei besondere Entwürfe hervor, von denen der tung, 7. die Folgen der Ansdeichung. — Der
über das Deichwesen den Provinzialständen der Allerh. Erl. v. 14. Nov. 1853 (G. S., S. 935)