Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Zweite Abteilung. (3_2)

428 Das Recht der Wirtschaftspflege. (S. 183.) 
Deichverbande angehören, — einem Zustande, den es im allgemeinen als einen provisorischen und 
möglichst zu beseitigenden betrachtet (§. 10). Im zweiten Abschnitte (8§. 11—23) erteilt es Vor- 
schriften über die Bildung förmlicher Deichverbände, durch welche die naturrechtlichen Sozialpflichten 
der Inundationsgenossen zur gemeinschaftlichen Anlage und Unterhaltung von Schutzmaßregeln gegen 
Überschwemmung den positiv-rechtlichen Charakter wechselseitiger Zwangsverbindlichkeiten aller 
dabei beteiligten Inundationsgenossen erhalten. Die zur Zeit der Publikation des Gesetzes vorhandenen 
Deichordnungen und -statute sind zwar in Kraft erhalten worden; es ist indes angeordnet, daß die, bei 
denen es erforderlich, einer Revision unterworfen werden sollen (§. 23), um in der Regelung der Deich- 
systeme, für welche sie gelten, möglichste übereinstimmung. mit den Grundsätzen des neuen Gesetzes her- 
zustellen.: Die Vereinigung der Besitzer sämtlicher der Überschwemmung ausgesetzten Grundstücke zu 
Deichverbänden zur gemeinsamen Anlegung und Unterhaltung der Werke erfolgt unter landesherrlicher 
Genehmigung, nach Anhörung aller Beteiligten, nötigenfalls nach Erlassung eines öffentlichen Aufgebots 
(unter der Wahrung der Präklusion späterer Einwendungen), und es kann von dem Rechte des Staates 
zur Bildung solcher Deichverbände zum Zwecke der Abwendung gemeiner Gefahr und zur erheblichen 
Förderung der Landeskultur Gebrauch gemacht werden (§. 11). Das Gesetz stellt (88. 12 ff.) als 
Instruktion für die Verwaltung und die Grundbesitzer die Hauptsätze und Gesichtspunkte auf, nach 
welchen die Zwangsvereinigung zur gemeinsamen Anlegung und Unterhaltung von Deichen eintreten 
soll. Die Deichpflicht soll von allen einzelnen, durch die Deich= und Meliorationswerke geschützten 
oder verbesserten ertragsfähigen Grundstücken, Hof= und Baustellen, auch wenn dieselben sonst von 
den gemeinsamen Lasten befreit oder dabei bevorrechtet sind, gleichmäßig getragen werden. Eine 
Befreiung davon kann auf keine Weise, auch nicht durch Verjährung, erworben werden (§. 16). Die 
Verteilung der Deichpflicht unter die Deichgenossen erfolgt selbst dann nach diesen Grundsätzen, wenn 
diese Pflicht bis dahin auf Grund besonderer Rechtstitel zwischen diesen Personen in anderer Art 
verteilt war oder einzelnen danach von andern ganz übertragen werden mußte; in solchen Fällen 
können die durch einen besonderen Rechtstitel Berechtigten Entschädigung für die erst durch den 
Deichverband ihnen auferlegten Leistungen von den durch jenen Titel Verpflichteten fordern (§.17). 
Die Deichpflicht ruht unablösbar auf den Grundstücken, ist den öffentlichen Lasten gleich zu achten 
und hat in Kollisionsfällen vor ihnen den Vorzug (§s. 18). Die Erfüllung der Deichpflicht kann 
von der Deichverwaltungsbehörde erzwungen werden (§. 19). Streitigkeiten über die Fragen, ob 
ein Grundstück deichpflichtig ist, oder wie die Deichlast zu verteilen ist. sind, mit Ausschluß des Rechtsweges, 
von den Verwaltungsbehörden zu entscheiden (§. 22). — Der dritte Abschnitt des Gesetzes (§§. 24—28) 
enthält gemeinsame Bestimmungen für Deiche außer und in einem Verbande. Danach ist die Re- 
gierung befugt, eine Benutzung der Deiche, welche deren Widerstandsfähigkeit zu schwächen geeignet 
ist, gegen Entschädigung wohlerworbener Rechte durch die Deichverpflichteten zu beschränken oder 
ganz zu untersagen (§. 24). Bei drohender Gefahr sind, nach Anordnung der Polizeibehörde, alle 
Bewohner der bedrohten und der benachbarten Gegend verpflichtet, zu den Schutzarbeiten unentgelt- 
lich Hilfe zu leisten und die erforderlichen Arbeitsgeräte und Transportmittel mit zur Stelle zu bringen; 
auch ist die Polizeibehörde in solchen Fällen berechtigt, die nötigen Maßregeln zwangsweise zur Aus- 
führung zu bringen und die Verabfolgung der zur Abwehr der Gefahr dienlichen Materialien von 
dem Besitzer, mit Vorbehalt der Entschädigung, zu fordern (§. 25). 
Die Entstehung und Natur der Deichverbandsverhältnisse führte zu einer mehr oder weniger 
ausgedehnten Selbstverwaltung, jedenfalls neben dem Oberaufsichtsrechte des Staates zu einer wesent- 
lichen Teilnahme und Mitwirkung der Deichgenossen bei der Verwaltung und Ordnung der Deich- 
verbandsangelegenheiten. Hierüber erteilen die durch Allerhöchsten Erlaß v. 14. Nov. 1853 publi- 
zierten Normativbestimmungen für zu erlassende Deichstatute nähere Bestimmungen. Nachdem (§. 1) 
ausgesprochen ist, daß der Deichverband eine Korporation bildet, werden über die Deichverwaltung 
und das Oberaufsichtsrecht des Staates nähere Vorschriften erteilt. 
1. Die Deichverwaltung teilt sich in die eigentliche Verwaltungsbehörde und die Vertreter und 
Repräsentanten der Deichgenossen. In der Regel, soweit nicht nach den besonderen Statuten und 
Deichordnungen ein landesherrlicher Beamter an die Spitze der Verwaltungsbehörde gestellt ist, wird 
diese gleich den Repräsentanten von den Deichgenossen gewählt. Die Normativbestimmungen v. 
14. Nov. 1853 lassen 
a) das Deichamt in der Regel bestehen (§. 49) aus: 
  
a) dem Deichhauptmann 3 CDeichgraf, 
  
publizierte die „allgemeinen Bestimmungen für 
künftig zu erlassende Deichstatute“, welche Nor- 
mativbestimmungen fortan in diesen neuen Deich- 
statuten in Bezug genommen werden, wogegen 
die einzelnen Deichstatuten nur noch die lo- 
kalen Bestimmungen über die auszuführenden 
Anlagen, das Deichkataster, die Wahl der Reprä- 
sentanten usw. sowie die etwa erforderlichen Ab- 
#nderungen der allgemeinen Bestimmungen 
enthalten sollten. 
1 Vgl. die Zusammenstellung dieser älteren 
Deichordnungen in Lette-v. Rönnes Landes- 
kulturgesetzgebung, Bd. II, Abt. 2, S. 676 ff. 
2 G. S. 1853, S. 935. 
  
Derselbe steht an der Spitze der Deichverwal- 
tung und hat a) als eigentliche Verwaltungs- 
behörde die Gesetze wie die Beschlüsse der Be- 
hörden und des Deichamtes auszuführen, den 
Deichverband nach außen und in Prozessen zu 
beaufsichtigen, die Deichrollen und Hebelisten auf 
Grund des Deichkatasters aufzustellen, auch die 
Deichkassenbeiträge und Strafgelder durch die 
Unterbeamten des Verbandes oder durch Requi- 
sition der Ortspolizeibehörden beitreiben zu lassen, 
auch die Deichamtsversammlungen mit eigenem 
Stimmrechte zu leiten (§. 35 der Normativbe= 
stimmungen) und dem Deichamte über die Re- 
sultate der Deichverwaltung einen Jahresbericht
	        
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