untterrichtsfreiheit. (§. 134.) 255
urkunde behält sodann dem Staate nur das Recht der Beaufsichtigung auch der Privat-
unterrichts= und Erziehungsanstalten vor. Da aber nach Art. 26, Satz 2 der Verfassungs-
urkunde die Bestimmungen der Art. 22 und 23 suspendiert bleiben, beruht auch heute
noch die gesetzliche Ordnung des Privatunterrichtswesens 2, welches in Privatschulwesen,
Privatunterricht und häuslichen Unterricht zerfällt, auf den vor Erlaß der Verfassungs-
urkunde darüber ergangenen gesetzlichen Bestimmungen.5
II. Das Allgemeine Landrecht verordnete hierüber in Teil II, Tit. 12: a) Wer
eine Privaterziehungs= oder sog. Pensionsanstalt errichten will, muß bei derjenigen
Behörde, welcher die Aufsicht über das Schul= und Erziehungswesen des Orts auf-
getragen ist, seine Tüchtigkeit zu diesem Geschäfte nachweisen, und seinen Plan, sowohl
in Ansehung der Erziehung, als des Unterrichts, zur Genehmigung vorlegen (§S. 3).
b) Auch solche Privat-, Schul= und Erziehungsanstalten sind der Aufsicht dieser Behörde
unterworfen, welche von der Art, wie die Kinder gehalten und verpflegt, wie die phy-
sische und moralische Erziehung derselben besorgt, und wie ihnen der erforderliche Unter-
richt gegeben werde, Kenntnis einzuziehen befugt und verpflichtet ist (§. 4). c) Schäd-
liche Unordnungen und Mißbräuche, welche sie dabei bemerkt, muß sie der dem Schul-
und Erziehungswesen in der Provinz vorgesetzten Behörde zur näheren Prüfung und
Abstellung anzeigen (§. 5). d) Auf dem Lande und in kleineren Städten, wo öffent-
liche Schulanstalten sind, sollen keine Neben= oder sog. Winkelschulen ohne besondere
Erlaubnis geduldet werden (§. 6). e) Eltern steht zwar frei, nach den im zweiten
Titel (88. 74 ff.) enthaltenen Bestimmungen, den Unterricht und die Erziehung ihrer
Kinder auch in ihren Häusern zu besorgen (§. 7); diejenigen aber, welche ein Gewerbe
daraus machen, daß sie Lehrstunden in den Häusern geben, müssen sich wegen ihrer
Tüchtigkeit dazu bei der im §. 3 bezeichneten Behörde ausweisen, und sich von derselben
mit einem Zeugnisse darüber versehen lassen (§. 8)." — Diese Vorschriften des All-
gemeinen Landrechts, insbesondere die §§. 3 und 8, wurden indes bereits durch das
Edikt v. 12. Juli 1810 betreffend die Prüfung der Schulamtskandidaten und die zu
Schullehrern vorzuschlagenden Subjekte 5, welches in §. 6 zu 2 alle, die bloß in Fa-
milien und Privatinstituten Unterricht übernehmen, von der allgemeinen Lehrerprüfung
entband, und durch das Gesetz v. 7. Sept. 1811 über die polizeilichen Verhältnisse der
Gewerbe 5 modifiziert. Das letztere Gesetz bestimmte: a) Privatschulhalter, Hauslehrer
oder Erzieher, desgleichen Erzieherinnen und Lehrerinnen, die als solche in Familien auf-
genommen werden, bedürfen keines Erlaubnis= und Gewerbescheines (§. 83). b) Wer
Privatunterricht in Wissenschaften und Künsten erteilt, bedarf dazu ebenfalls keiner be-
sonderen Erlaubnis und keines besonderen Gewerbescheines; wer aber in einer jedermann
offenen Schule dergleichen lehrt, muß einen Erlaubnisschein dazu haben und solchen
bei der Provinzialschuldeputation nachsuchen (§. 84). c) Eben dies gilt von Lehrerinnen
und Erzieherinnen, die öffentliche oder Pensionsanstalten halten (§. 86). — Demnächst
der Befähigung hierzu zu fordern. — Bei der v. 31. Dez. 1858 (M. Bl. d. i. Verw. 1859,
Revision der Verf. Urk. traten die Kammern diesen S. 116, Nr. 97) sprach aus, daß der Unter-
Ansichten bei; Art. 19 der oktroy. Verf. Urk. v. nehmer einer jüdischen Privatschule nach Maß-
5. Dez. 1848 ging daher in Art. 22 der Verf. Urk. gabe des Art. 112 (jetzt Art. 26, Satz 2) der Verf.
v. 31. Jan. 1850 über, erlitt jedoch noch die Urk. nicht aus dem Art. 22 das Recht herleiten
Modifikation, daß hinter den Worten: „zu gründen" könne, christliche Kinder in seine jüdische Privat-
die Worte: „und zu leiten“ hinzugefügt wurden schule, aufzunehmen.
(vgl. v. Rönne, Verf. Urk., Art. 22, S. 51—52, * Uber die Frage der Suspension der Art. 22
Anschütz a. a. O., S. 390—393). Der Zentral= und 23 (Abs. 2) vgl. Anschütz a. a. O., S. 393,
ausschluß der 1. K. wollte hinzugefügt wissen, daß 405.
der „häusliche Unterricht“ keinen weiteren Be- 4 Auf Grund dieser Vorschriften hat der Erl. des
schränkungen als denen des Art. 21 der Verf. Min. d. geistl. Ang. v. 30. Okt. 1827 (v. Kamptz,
Urk. unterliege; jedoch wurde dieser Zusatz abge= Ann., Bd. XI, S. 962) genauere Bestimmungen
lehnt (vgl. darüber Stenogr. Ber. der 1. K. 1849 des Unterschiedes zwischen Hauslehrern, Privat-
—50, Bd. III, S. 1047—48, und der 2. K., Bd. III, lehrern und Privatschullehrern getroffen.
S. 1225—29). 5 Mylius, N. C. C., Teil XII, S. 1047,
1 Anschütz a. a. O., S. 399 ff. Nabes Samml., Bd. X, S. 378.
2 Der Erlaß des Min. d. geistl. und Unterr. Ang. 6( G. S. 1811, S. 263.