Unterrichtsfreiheit. (8. 134.) 259
(§. 14). Denjenigen Personen, gegen deren wissenschaftliche Befähigung für den Unter-
richt und die Erziehung der Jugend nichts zu erinnern ist, soll von der Ortsschulbehörde
ein jedesmal für ein Jahr gültiger, jedoch widerruflicher Erlaubnisschein zur Erteilung
von Privatunterricht sowohl in Familien als in Privatschulen und Privaterziehungs-
anstalten unentgeltlich erteilt werden 1 (§. 15). Geistliche und öffentliche Lehrer sowie
die an öffentlichen Schulanstalten beschäftigten Sprach-, Gesang-, Musik= und Zeichen-
lehrer dürfen ohne besonderen Erlaubnisschein Privatunteriicht in Familien und Privat-
schulen erteilen; sie haben ihr Vorhaben nur der Ortsschulbehörde anzuzeigen. Auch den
Studierenden auf den Landesuniversitäten und den Schülern der obersten Klasse der ge-
lehrten Schulen steht dasselbe Recht zu, wenn sie sich über ihre wissenschaftliche und
sittliche Befähigung durch ein Zeugnis des Rektors der Universität oder des Direktors
der betreffenden gelehrten Schule bei der Ortsschulbehörde zuvor ausgewiesen haben?
. 16). Über die Wirksamkeit der Privatlehrer und Privatlehrerinnen hat die Orts-
schulbehörde eine geregelte, den örtlichen Verhältnissen anzupassende Aufsicht zu führen, bei
Unregelmäßigkeiten, die auf ein unsittliches Verhalten schließen lassen, sowie wenn in
religiöser oder politischer Beziehung Bedenken entstehen, sich mit der Ortspolizeibehörde in
Verbindung zu setzen und, wenn der Verdacht sich bestätigen sollte, die Erneuerung des
Erlaubnisscheines zu versagen, auch nach Befinden der Umstände die Entfernung unsitt-
licher oder politisch verdächtiger Personen aus dem Lehrerstande bei der Regierung zu
beantragen (§. 17). Personen, welche Kinder aus mehreren Familien gemeinschaftlich
unterrichten, sind als Privatlehrer und Privatlehrerinnen zu betrachten und zu behandeln,
wenn sie auf Grund eines Vertrages (gleichviel ob mit einer Familie oder mit mehreren,
jedoch nur) mit bestimmten einzelnen Familien, deren Kinder in festgesetzten Lehrgegen-
ständen gegen feste Vergütung unterrichten 3 (§. 18).
3. Hauslehrer,
Regierung " versehen,
Erzieher und Erzieherinnen,
solches Verhältnis zu treten beabsichtigen,
d. h. Personen, die in ein
müssen sich mit einem Erlaubnisschein der
in deren Bezirk sie eine solche Stelle annehmen wollen (8. 19).
Endlich sprach der Min. Erl. v. 11. März 1862
(a. a. O. 1862, S. 126) aus, daß diese Grundsätze
auf diejenigen Tanzlehrer Anwendung finden
sollten, welche ausschließlich in den von ihnen
selbst gegründeten Tanzschulen Unterricht erteilen
wollen. Die Reichsgewerbeordn. v. 21. Juni 1869
schreibt (B. G. Bl. 1869, S. 245) im §. 35 vor,
daß die Erteilung von Tanz-, Turn= und
Schwimmunterricht als Gewerbe anzeigepflichtig
ist, daß es zu untersagen ist, wenn Tatsachen
vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbe-
treibenden in bezug auf diesen Gewerbebetrieb
dartun. Da nach §. 1 a. a. O. der Betrieb eines
Gewerbes jedermann gestattet ist, soweit nicht
die Gewerbeordnung Ausnahmen oder Beschrän-
kungen vorgeschrieben oder zugelassen hat, muß
angenommen werden, daß die im §. 35 a. a. O.
vorgeschriebene Beschränkung die einzige in bezug
auf Tanz-, Turn= und Schwimmlehrer gegen-
wärtig noch bestehende ist. §. 6 a. a. O. bestimmt
zwar, daß die Gewerbeordn. auf das Unterrichts-
wesen im allgemeinen keine Anwendung finden
soll; von dieser Bestimmung bildet jedoch §. 35 a.
a. O. eine Ausnahme (val. hierzu v. Landmann,
Gewerbeordnung, Bd. I, S. 77; Anschütz a. a. O.,
S. 397; J. Smith, Ein Kampf um die recht-
liche Stellung des Turnunterrichts, Hadersleben
1909). Hiernach werden die vorstehenden Min.=
Erlasse keine Anwendung mehr finden können. —
Der Min. Erl. v. 10. Dez. 1880 (M. Bl. d. i. Verw.
1881, S. 24) führte aus, daß §. 55 der Gewerbe-
ordnung, wonach es zur Anbietung gewerblicher
und Darbietung niederer künstlerischer Leistungen
außerhalb des Gemeindebezirks des Wohnortes
ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung
und ohne vorgängige Bestellung in eigener Person
eines Wandergewerbescheines bedarf, auf den Tanz-
unterricht, welchen ein Tanzlehrer außerhalb seines
Wohnortes erteilt, keine Anwendung findet.
1 Für die Erteilung von Erlaubnisscheinen an
Privat= und Hauslehrer ist der Kreisschulinspektor
zuständig (Min. Erl. v. 4. Febr. 1909, Zentr. Bl.
f. d. Unterr. Verw. 1909, S. 333).
Bei Ausländern bedarf es der durch die Regie-
rung nachzusuchenden Genehmigung des Min.
des Inn. (§. 15 der Instr.); doch ist durch den
Min. Erl. v. 17. Juli 1862 die Erteilung dieser
Erlaubnis den Regierungen delegiert worden (M.
Bl. d. i. Verw. 1863, S. 151, Nr. 113).
Die Genehmigung soll nicht für den ganzen
Umfang der Monarchie, sondern nur für den
Ort, wo die Erteilung des Unterrichts beabsichtigt
wird, erteilt werden (Min. Erl. v. 8. März 1862,
M. Bl. d. i. Verw. 1862, S. 191).
2 Wegen der Seminaristen und der Kandidaten
der höheren Schulämter und der Theologie vgl.
den Min. Erl. v. 10. Juli 1840 (M. Bl. d. i. Verw.
1840, S. 97) und den Min. Erl. v. 12. April
1842 (a. a. O. 1842, S. 119).
: Über solche kleine Familienschulen vgl. die
Min. Erl. v. 26. Sept. 1840 (M. Bl. d. i. Verw.
1840, S. 355) und v. 14. Nov. 1860 (a. a. O.
1861, S. 5). .
4 Min. Erl. v. 4. Febr. 1909, Zentr. Bl. f. d
Unterr. Verw. 1909, S. 333.
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