268 Unterrichtswesen. (8. 137.)
Anspruch, indem sie in Art. 23 ausspricht, daß „alle öffentlichen und Privat-
Unterrichts= und. Erziehungsanstalten unter der Aufsicht vom Staate ernannter Behörden
stehen“ und daß „die öffentlichen Lehrer die Rechte und Pflichten der Staatsdiener
haben“. 1 Die Verfassung geht nämlich davon aus, daß, wenngleich bei der Aussicht
über die Schule auch Organe aus dem Lehrerstande zu beteiligen seien, doch die Schule
an und für sich nicht das Recht der Selbstaufsicht haben könne, weil sie nicht, wie Kirche
und Staat, ein selbständiges. Institut sei. Der konstitutionelle Staat, der einerseits
die verschiedenen Religionsgesellschaften für selbständig erklärt, und dessen Bestehen an-
dererseits unbedingt von der Bildung seiner Angehörigen abhängt, muß sich das Ober-
aufsichtsrecht über den Unterricht und die Erziehung ausschließlich vorbehalten
und kann dies Recht weder ganz aus der Hand geben noch mit irgendeinem anderen
Institut teilen, wenn er nicht in die Gefahr geraten will, einer seiner eigenen geistigen
Lebenstätigkeit möglicherweise feindliche Macht selbst begründen zu helfen. Den Ge-
meinden dagegen kann nur eine Beteiligung an ihren öffentlichen Volksschulen ge-
währt werden. Das Aufsichtsrecht des Staates erstreckt sich nicht bloß auf die öffent-
lichen Volksschulen und öffentlichen Unterrichtsanstalten, sondern auf das gesamte
Unterrichts= und Erziehungswesen. Denn die Verfassungsurkunde geht davon aus, daß
dem Staate auch aus einem mit Absicht seinem Prinzip und Bestehen feindlich kon-
struierten Privatunterrichtswesen Gefahren erwachsen können; deshalb erachtet sie es
für notwendig, dem Staat auch über letzteres die Oberaufsicht beizulegen, damit er die
Möglichkeit besitze, davon Kenntnis zu nehmen und jede verkehrte, das Gemeinwohl ge-
fährdende Wirksamkeit desselben zu verhindern. Dagegen hat die Verfassungsurkunde
eine Bestimmung, welche jede kirchliche Aufsicht über die öffentliche Volksschule und
über alle öffentlichen Unterrichtsanstalten ausdrücklich ausschließt ", nicht aufge-
nommen, weil sie eine solche negative Bestimmung, insofern sie „auf alle öffentlichen
Unterrichtsanstalten“ bezogen würde, für unhaltbar und unausführbar erachtete 5 und
davon ausging, daß keine Nobwendigtrit vorliege, durch die Verfassungsurkunde eine
1 Der Entw. der Verf. Komm. der Nat. Vers. Jdeshalb gestrichen worden, damit die Behörden
hatte statt dessen (in Art. 24) folgende Bestim= nicht notwendig „eigens zur Schulaufsicht kon-
mungen aufgenommen: „Die öffentl. Volksschulen, stituierte“ zu sein brauchen, sondern der Staat
sowie alle übrigen Unterrichtsanstalten, stehen berechtigt ist, sich auch solcher Organe zu bedienen,
unter Aufsicht eigener Behörden und sind von die nicht bloß für diesen Zweck angestellt sind,
jeder kirchlichen Aufsicht frei“ (vgl. Rauers Pro= z. B. Geistliche (vgl. die Erklär. des Min. d. geistl.
tokolle der Verf. Komm., S. 110, 124, 105). Die Ang. in den Stenogr. Ber. der 2. K. 1849—50,
Zentralabt. der Nat. Verf. war indes hiermit nicht Bd. III, S. 1229, und die Bemerk. des Abgeordn.
einverstanden. Der Begriff „eigene Behörden" v. Kleist-Retzow a. a. O., S. 1229—1230).
erschien zu unbestimmt; diese konnten so gebildet Anschütz a. a. O., S. 399—405.
werden, daß in betreff der öffentlichen Volksschule : Vgl. die amtl. Erläuter, des Min. v. Laden-
die Gemeinden von jeder Beteiligung an der berg, S. 25.
Verwaltung eines ihrer wichtigsten Institute aus- 8 * rn-
geschlossen wurden. Auch konnten die eigenen bei PSgl die - *“6 We
Behörden“ etwa durch freie Wahl des Lehrer- Staatslebens überhaupt sone eines frei zu be-
ersonals an den öffentlichen Unterrichtsanstalten : pt sowie a zu be-
p ratenden Unterrichtsgesetzes die Besorgnis nicht
so gebildet werden, daß der Staat und die Ge— ..
aufkommen lassen würden, daß der Staat sein
meinde von jeder Beteiligung an der Schul- Oberaufsichtsrecht über das Privatunterrichts-
aufsicht ausgeschlossen und die Schule eine sich wesen, namentlich soweit es sich nur auf die
"Pt iwregier zane wurde gentralabtackn Familie erstrecke, in weiterem Maße geltend machen
ihres Entwurfs) vor: „Die öffentlichen Volks- werdet als es die Wohlfahrt des Ganzen er-
schulen, sowie alle übrigen Unterrichtsanstalten,
stehen unter Aufsicht eigener vom Staate er- 4 Dies hatte die Verf. Komm. der Nat. Vers.
nannter Behörden.“ Diese Fassung behielt der beantragt, aber schon die Zentralabteilung nicht
Art. 20 der oktroy. Verf. Urk. v. 5. Dez. 1848F angenommen (vgl. oben Note 1).
5 Denn eine solche Negation würde in ihrer
(lediglich mit der Modifikation, daß gesagt wurde:
„Erziehungs= und Unterrichtsanstalten") bei' Ausdehnung auf alle öffentl. Unterrichtsanstalten
(ogl. die oben angeführten amtl. Erläuter. S. 25). auch die Mitbeteiligung der religiösen Gesell-
Bei der Revision der Verf. Urk. ist schließlich nach schaften an der Aufsicht über die theologischen
dem Vorbilde der §§. 153, 156 der Frankfurter # Fakultäten und Seminare ausgeschlossen haben,
R. V. von 1849 die jetzige (oben im Texte ange= die diesen jetzt für unabhängig vom Staate er-
gebene) Fassung gewählt und das Wort: „eigener“ klärten Gesellschaften nicht versagt werden könne.