Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Zweite Abteilung. (3_2)

274 Unterrichtswesen. (§. 137.) 
bleiben müssen, c) daß das Lehrerpersonal der kirchlichen Konfession angehören muß, da 
die Anstalt selbst kirchliches Institut ist, d) daß die Oberaufsicht der Kirche aus eigenem 
Rechte gebührt und mit der geistlichen Hierarchie als solcher verbunden erscheint. 
Dieses System der kirchlichen Schulen ist jedoch in Preußen bereits durch König 
Friedrich Wilhelm I. und dann weiter durch drei untrennbare, stetig fortschreitende gesetz- 
liche Prinzipien abgeändert. Der entscheidende Schritt zur Aufhebung des konfessionellen 
Systems der Schulen war die Einführung des gesetzlichen Schulzwanges durch 
die Edikte König Friedrich Wilhelms I. v. 28. Sept. 1717 und v. 19. Sept. 1736. 
Nunmehr war es der Gesetzgeber und nicht mehr die kirchliche Obrigkeit, welche den 
Zwang aussprach; damit stellte der Staat den höheren Grundsatz fest, welcher an die 
Stelle des mittelalterlichen Glaubens= und Kirchenzwanges zu treten bestimmt war. 
Daran reiht sich als zweiter Grundsatz die Parität der anerkannten Kirchen in 
Preußen, welcher Grundsatz nirgends mehr gestattet, den anderen Teil von der Wohl- 
tat des öffentlichen Schulunterrichts auszuschließen. Diese Gleichheit ist es, welche von 
dieser Seite aus das Unterrichtswesen zur Staatssache macht; denn die Kirchen können 
zur Rechtsgleichheit im Gebiete des äußeren Lebens nicht anders als dadurch gelangen, 
daß der Staat die Führung in den äußeren gemeinsamen Angelegenheiten übernimmt. 
Die Parität der anerkannten Kirchen auf dem Gebiete des Unterrichts hat aber der preußische 
Staat mit vollständiger Unparteilichkeit erstrebt; sie fand eine Grenze nur in dem Maße 
des Ausführbaren; der Religionsunterricht der anerkannten Konfessionen mußte Privat- 
unterricht bleiben, wo die Zahl der Kinder der anderen Koufession so gering war, daß 
ein besonderer Lehrer dafür nicht beschafft werden konnte. Zu diesen Gründen der 
Staatsleitung trat weiterhin als dritter, daß der Staat für den notwendigen Unterhalt 
der öffentlichen Schule teils mittelbar teils unmittelbar zu sorgen hatte, weil hierzu die 
Kirche niemals die Mittel besaß, ein Grundsatz, welcher das System der kirchlichen 
Schulen unbedingt ausschließt. Diese allmählich entfalteten Grundsätze des preußischen 
Unterrichtswesens haben ihre Zusammenfassung in dem Tit. 12, Teil II des Allgemeinen 
Landrechts gefunden. §. 1 a. a. O. stellt den leitenden Grundsatz an die Spitze, daß 
„alle öffentlichen Schulen Veranstaltungen des Staates sind“, und darauf folgen so- 
dann die drei Grundprinzipien: a) der Schulzwang (88§. 43 ff.), b) die Parität der an- 
erkannten Kirchen, durchgeführt in den Tit. 11 und 12 und in den Schulreglements, 
() der Grundsatz der Unterhaltung des Schulwesens von unten herauf als gemeine Last 
(§§. 29, 34, 38), womit das gemeine Recht des Schulbesuches (§. 10) in Wechsel- 
wirkung steht. In Tit. 12 vom Schulwesen ist der Gegensatz der kirchlichen Verfassungen 
vollständig getilgt, hier ist weder von evangelischen, noch von katholischen Schulen, weder 
von Schulen evangelischer, noch katholischer Konfession, noch von irgendeiner konfessio- 
nellen Bezeichnung die Rede.? 
Auf dem Boden dieser leitenden Grundsätze und in übereinstimmung mit ihnen hat 
sich lange Zeit die legale Unterrichtsverwaltung bewegt, und zwar in folgenden Rich- 
tungen: a) der Religionsunterricht ist als obligatorischer Teil des Lehrplanes der öffent- 
lichen Schule ausnahmslos anerkannt; Kinder anderer Konfession als der in der Schule 
gelehrten sind aber gesetzlich von der Teilnahme daran entbunden; b) der wissenschaftliche 
Unterricht ist vollkommen selbständig neben dem Religionsunterricht und muß in der 
Staatsschule vom allgemein wissenschaftlichen und pädagogischen Standpunkte aus erteilt 
werden; der Staat darf die Kinder abweichender Konfessionen nicht zu einer anderen Art 
des Unterrichts zwingen; er soll dazu die Hausväter anderer Konfessionen nicht nötigen; 
unter Bedingungen anderer Art kann er die Parität der Konfessionen nicht aufrecht er- 
halten; c) die Bildung eines selbständigen Lehrpersonals ist die notwendige Folge der 
Auflösung der kirchlichen in die Staatsschule; d) die Staatsaussicht über das Unter- 
  
1 A. L. R., Teil II, Titel 12, §. 10. 
2 Die einzige Bestimmung, welche getrennte 
Schulen für die Einwohner verschiedener Kon- 
fessionen an einem Orte als zulässig voraus- 
setzt, ist §. 30, Titel 12: „Sind jedoch für die 
Einwohner verschiedenen Glaubensbekenntnisses 
an einem Orte mehrere gemeine Schulen errichtet, 
so ist jeder Einwohner nur zur Unterhaltung 
des Schullehrers von seiner Religionspartei bei- 
zutragen verbunden.“ 
  
 
	        
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