Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Zweite Abteilung. (3_2)

Organisation und Beauffichtigung. (8. 137.) 
richtswesen ergab sich aus der Natur der öffentlichen Schulen als Staatsanstalten. Als 
legales Verwaltungsrecht ergibt sich also eine Schule, in welcher die Religion konfessionell 
gelehrt werden muß, die Wissenschaft nicht konfessionell gelehrt werden darf, die Staats- 
aufsicht in diesem Sinne gehandhabt werden soll. 
Allein diese gesetzlichen Grundlagen des Unterrichtswesens haben sich durch das 
neuere Verwaltungssystem allmählich umgekehrt. Dies System strebt dahin, die 
Staatsschule wieder in dem Geiste zu gestalten, daß sie als ein kirchliches Institut 
wirke. Dies vollzieht sich zunächst durch eine eigenmächtige Abänderung des Sprach- 
gebrauches. Die öffentliche Schule, in welcher der Religionsunterricht evangelischer 
Konfession erteilt wird, nennt man evangelische Schule, und diejenige, in welcher 
der Religionsunterricht katholischer Konfession erteilt wird, katholische Schule. Da 
die mit einem Lehrer versehene Volksschule nur den einen oder den anderen Religions— 
unterricht erteilt, so behauptet man, die Elementarschule sei notwendig entweder eine 
evangelische oder eine katholische, und da tatsächlich in einer mäßigen Anzahl von 
Schulen die Erteilung eines zweiseitigen Religionsunterrichtes stattfindet, so bezeichnet 
man diese als „Simultanschulen“, welche aber als eine gesetzliche Abnormität auf- 
gefaßt werden, die nur auf ausnahmsweiser Gestattung beruht.K Da also in jedem 
Falle die öffentliche Schule entweder den Religionsunterricht evangelischer oder katholischer 
oder beider Konfessionen erteilt, so hat man behauptet, alle preußischen Schulen seien 
entweder evangelischer oder katholischer Konfession, oder Simultanschulen, und dies als 
Prinzip dahin ausgedrückt, daß die preußischen Schulen „konfessionelle“ Schulen 
seien. Dieser Sprachgebrauch ist jedoch den Gesetzen unbekannt; er ist im Allgemeinen 
Landrecht durch eine sorgfältige und überlegte Fassung vermieden, und es schließt über- 
dies einen Widerspruch in sich, daß eine Schule (also ein Schulgebäude und eine Schul- 
einrichtung für eine Zahl von Lehrern und Schülern) einen religiösen Glauben haben 
soll; denn eine Anstalt kann keine Konfession haben. Nachdem indes der untergeschobene 
Ausdruck „konfessionelle Schulen“ zu einem leitenden Grundsatze des Schulverwaltungs- 
rechtes erhoben, also das innerliche Moment des Glaubens an eine äußere ständige An- 
stalt geheftet worden, war die notwendige Folgerung hiervon die Rückkehr zu dem bereits 
im 18. Jahrhundert in Preußen verlassenen Begriffe der kirchlichen Schule und zu 
allen Folgen dieses Begriffes in allen seinen verschiedenen Richtungen. Als Ergebnis 
dieser mit den Grundsätzen des gesetzlich bestehenden Schulrechts und insbesondere mit 
den Prinzipien des Allgemeinen Landrechts im Widerspruche stehenden neueren Praxis 
275 
  
1 Schon die Kab. O. v 4. Okt. 1821 und v. 
23. März 1829 (v. Kamptz, 
S. 381, und v. Rönne, Unterrichtswesen, Bd. 1, 
S. 659) haben die Einrichtung von „Simultan- 
schulen“ für unzweckmäßig erklärt und bestimmt, 
daß solche nur als Ausnahme stattfinden dürfen, 
wenn entweder die Not dazu drängt, oder wenn 
die Vereinigung das Werk freier Entschließung 
der von ihren Seelsorgern beratenen Gemeinden 
ist und von der höheren weltlichen und geistlichen 
Behörde genehmigt wird. Es soll daher die Ver- 
einigung der Schulen keiner Konfession aufge- 
drungen, sie darf aber da befördert werden, wo 
der Mangel an hinreichenden Fonds die zweck- 
mäßige Einrichtung von Konfessionsschulen hindert 
und die Gemeindemitglieder beider Konfes sionen 
über die Einrichtung einer Simultanschule ein- 
verstanden sind. Der 6. preuß. Prov.-Landtags- 
abschied v. 28. Okt. 1838, zu II (v. Kamptz, 
Ann., Bd. XXII, S. 505), erläutert übrigens, 
daß in Orten, wo die Mehrheit der Einwohner 
einer Konfession zugetan ist und daher auch ein 
Schullehrer dieser Konfession gewählt wird, gleich- 
wohl aber auch nach §. 10, A. L. R., Teil II, 
Titel 12 den Kindern der zu einer anderen Kon- 
Ann., Bd. 1V, 
  
fession gehörigen Minderzahl der Einwohner der 
Besuch der Schule gestattet ist, keine „Simultan- 
schule“ besteht, und daß sich daher auf diese Fälle 
die obigen Anordnungen nicht beziehen; vielmehr 
seien „Simultanschulen“ nur solche, wo den ver- 
schiedenen Konfessionsverwandten rücksichtlich des 
zu erwählenden Lehrers ein gleiches Recht zu- 
stehe, dergestalt, daß, wenn die Schule nur einen 
Lehrer habe, dieser abwechselnd evangelischer oder 
katholischer Konfession sein müsse, oder wenn 
mehrere Lehrer an der Schule angestellt seien, 
diese von den verschiedenen Konfessionen sein 
müßten. Die Einrichtung von abgesonderten 
Konfessionsschulen sollte übrigens nur da verlangt 
werden, wo die Konfessionsgemeinden die Mittel 
zu deren ausreichender Dotation besitzen, sowie 
denn auch die Bildung neuer Simultanschulen 
und die Vereinigung vorhandener Konfessions- 
schulen da zu gestatten sei, wo die Errichtung 
von Simultanschulen entweder durch den Mangel 
an zureichenden Mitteln für die abgesonderten 
Konfessionsschulen geboten oder das Werk freier 
Entschließung der von ihren Seelsorgern be- 
ratenen Gemeinden sei und der Genehmigung 
sonst kein Bedenken entgegenstehe. 
187
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.