Organisation und Beaufsichtigung. (8. 137.) 277
öffentlichen Volksschulen. Die Grundlage der einschlägigen, heute geltenden Bestimmungen
des V. U. G. bildete das sogenannte „Schulkompromiß“ der beiden konservativen und
der nationalliberalen Partei.! Dieses Kompromiß stellte „in Ausführung des Art. 24
der Verfassung, wonach bei der Einrichtung der öffentlichen Volksschulen die konfessio-
nellen Verhältnisse möglichst zu berücksichtigen sind“, folgende Grundsätze fest: „1. In
der Regel sollen die Schüler einer Schule derselben Konfession angehören und von Lehrern
ihrer Konfession unterrichtet werden; 2. Ausnahmen sind nur aus besonderen Gründen,
insbesondere aus nationalen Rücksichten oder da, wo dies der historischen Entwicklung
entspricht, zulässig. Lehrer, welche zur Erteilung des Religionsunterrichts für konfessio-
nelle Minoritäten an Schulen anderer Konfessionen angestellt sind, dürfen voll beschäftigt
werden; 3. erreicht die Zahl der schulpflichtigen Kinder einer konfessionellen Minderheit
eine angemessene Höhe, so hat diese Minderheit den Anspruch auf Einrichtung einer
Schule ihrer Konfession; 4. es sind zur Verwaltung der Schulangelegenheiten neben den
ordentlichen Gemeindebehörden in den Städten Schuldeputationen und auf dem Lande
Schulvorstände einzurichten, bei denen der Kirche, der Gemeinde und den Lehrern eine
angemefsene Vertretung zu gewähren ist.“ Diesem Kompromiß entsprechend hat das
V. U. G. die Frage zugunsten der Konfessionsschule entschieden ohne jedoch diesen
Fachausdruck zu verwenden. Aber es bestimmt in §. 33: „Die öffentlichen Volks-
schulen sind in der Regel so einzurichten, daß der Unterricht evangelischen
Kindern durch evangelische Lehrkräfte, katholischen Kindern durch katho-
lische Lehrkräfte erteilt wird.“ Darin ist aber das Prinzip der Konfessions-
schule klar ausgesprochen. während die unter gewissen Voraussetzungen zugelassene Si-
multanschule, d. h. „eine Volksschule, an der nach ihrer besonderen Verfassung bisher
gleichzeitig evangelische und katholische Lehrkräfte anzustellen waren“ (§. 36, Abs. 1) die
Ausnahme darstellt. (Das Nähere unten in §. 142.)
III. Obgleich die Verfassungsurkunde das Aufsichtsrecht über die Schule dem
Staate vorbehält, schließt sie dennoch die Beteiligung der Gemeinden an der
Volksschule keinesweges aus. Der dritte Satz des Art. 24 der Verfassungsurkunde
spricht vielmehr der Gemeinde in dieser Hinsicht zwei Rechte zu, nämlich 1. die Lei-
tung der äußeren Angelegenheiten der Volksschule, und 2. die Beteiligung bei der
Anstellung der Lehrer.
Erstere Bestimmung wird indes erst nach näherer Ausführung durch Spezialgesetz
ihre eigentliche praktische Bedeutung erhalten; bis dahin ist Abs. 3, Satz 1 des Art. 24
dergestalt für suspendiert zu erachten, daß es bei den bisherigen gesetzlichen Vorschriften
das Bewenden behalten muß. Die „Gemeinde“, von welcher Art. 24 spricht, ist die
politische oder bür gerliche Gemeinde, keinesweges die sogenannte Schulgemeinde.“
Die Leitung der äußeren Angelegenheiten der Elementarschule aber steht nach der bis-
herigen Verfassung den Schulvorständen und Schuldeputationen unter Oberaufsicht der
Regierungen zu.“
Was die Anstellung der Volksschullehrer betrifft, so hat Art. 24 der Ver-
fassungsurkunde bestimmt, daß „der Staat unter gesetzlich geordneter Beteiligung
der Gemeinden aus der Zahl der Befähigten die Lehrer der öffentlichen Bolksschulen
anstellt".7
1 Beschluß des Hauses der Abgeordneten vom
13. „Mai 1904, Drucks. d. r— d. Abg. Nr. 256.
Anschütz, Verf. Urk., S. 444—447.
3 Anschütz, Verf. Urk., S. 454—466.
4 Dies ist bei der Revision der Verf. Urk. aus-
drücklich anerkannt worden (Ber. des Zentralaus-
schusses der 1. K. in den Stenogr. Ber. 1849—
50, Bd. III, S. 1056). ·
sübekdiesenBegkifsAuschütza.a.O.,S.
454 ff.; Marcks, Volksschulunterhaltungsgesetz,
S. 115; Preuß, Städt. Schulverwaltung, S. 73;
Löning im Jahrb. d. öffentl. R. III, S. 124.
s Vgl. das geltende Recht bei Anschütz a. a. O.
S. 457—463.
Die Zentralabteil. der Nat. Vers. hatte (im
Art. 23 ihres Entwurfs) der Gemeinde das Recht
der Wahl der Volkeschullehrer beigelegt. Auf
Grund dessen war in den Art. 21 der oktroy.
Verf. Urk. v. 5. Dez. 1848 die Bestimmung auf-
genommen worden: „Die Wahl der Lehrer (in
der Volksschule), welche ihre sittliche und tech-
nische Befähigung den betreffenden Staatsbehörden
gegenüber zuvor nachgewiesen haben müssen, steht
den Gemeinden zu.“ Die amtlichen Erläuter.